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Grundlagen

Nachgefragt: Was sind eigentlich Autoimmunerkrankungen?

8 Minuten

Veröffentlicht am 24.04.2019  von  trotz ms Redaktion

Hanna Meinl ist Expertin für Humanbiologie, Molekularbiologie und Immunologie. Aktuell forscht sie am Zentralinstitut für Translationale Krebsforschung der Technischen Universität München. Im Fokus ihrer Arbeit steht unter anderem eine bestimmte Gruppe der Immunzellen, die auch für die Multiple Sklerose relevant ist.

Hanna Meinl ist Postdoc an der Technischen Universität München (TUM). Gegenstand ihrer Forschung sind die Bestimmung von Untergruppen menschlicher T-Zellen.

Sie studierte Medizin an der Ludwig-Maximilian Universität München (LMU) , TUM und der Universität Malta. Dort erhielt sie ein Stipendium von der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Für ihre Doktorarbeit war sie an der Fakultät Klinische Pharmakologie als eine Stipendiatin des Förderprogramms für Forschung und Lehre (FöFoLe) der LMU tätig.

Wie genau funktioniert unser Immunsystem?

Das Immunsystem schützt uns vor einer Vielzahl an Krankheitserregern wie Bakterien, Viren, Pilzen sowie Parasiten und überwacht außerdem körpereigene Prozesse. Dazu gehört auch, bösartig veränderte Körperzellen zu erkennen und zu beseitigen, bevor sich ein Krebs entwickeln kann. Das Immunsystem besitzt dafür einen ausgeklügelten Mechanismus, bei dem ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Zellen und Botenstoffen nötig ist. Hierbei unterscheidet man das unspezifische, angeborene Immunsystem und das spezifische, erworbene Immunsystem.

Zur unspezifischen Abwehr gehören zunächst einmal äußere physikalische Barrieren wie die Haut und auch chemische Barrieren wie Speichel oder Tränenflüssigkeit. Haben Keime diese Barrieren überwunden, kommt ein weiterer Mechanismus des angeborenen Immunsystems zum Einsatz. Zum einen beinhaltet dies Eiweißstoffe, die gegen Erreger wirken. Zum anderen werden Zellen wie natürliche Killerzellen oder Fresszellen rekrutiert, die in diesen Keimen Eindringlinge erkennen und beseitigen. Dies ist allerdings, wie der Name auch schon sagt, recht unspezifisch und eine genaue Analyse der Erreger findet nicht statt. Ebenso wenig merkt sich das unspezifische Immunsystem die Beschaffenheit der Keime sowie den Abwehrmechanismus.

Hierfür ist das spezifische Immunsystem verantwortlich, welches sich gezielt gegen bestimmte Krankheitserreger sowie fremdes oder bösartig verändertes Gewebe richtet. Zellen des spezifischen Immunsystems sind in der Lage bestimmte Strukturen (Antigene) von fremden Substanzen zu erkennen und eine Immunantwort auszulösen. Außerdem ist dieses System in der Lage, ein immunologisches Gedächtnis aufzubauen, um im Fall einer erneuten Infektion schneller reagieren zu können. Zwei Zell-Typen der weißen Blutkörperchen spielen hierbei eine wichtige Rolle: B-Zellen und T-Zellen. B-Zellen können Antikörper produzieren, welche an ein spezifisches Antigen binden und so Krankheitserreger für Zellen des Immunsystems markieren. T-Zellen hingegen können Erreger direkt töten und zudem über Botenstoffe Nachrichten an andere Immunzellen übermitteln.

Was passiert bei einer Autoimmunerkrankung im Körper?

Bei Autoimmunerkrankungen greift das Immunsystem nicht Krankheitserreger an, sondern Zellen des eigenen Körpers. Hierbei kommt es zu einem Verlust der Toleranz gegenüber körpereigenen („auto“ = griechisch für „selbst“) Strukturen, sodass diese nun fälschlicherweise als „fremd“ erkannt werden und das Immunsystem nun versucht den vermeintlichen Eindringling zu zerstören. Dabei kommt es zu Entzündungsreaktionen, die verschiedene Organe betreffen können, wie beispielsweise die Bauchspeicheldrüse (Diabetes mellitus Typ 1), die Darmschleimhaut (Colitits ulcerosa) oder das Nervensystem (Multiple Sklerose).

Was sind die Ursachen für Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet?

Die Ursachen für das Auftreten einer Autoimmunerkrankung sind sehr komplex und trotz intensiver Forschung nur teilweise geklärt. Es wird vermutet, dass es erst durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren zur Entstehung einer Autoimmunerkrankung kommt. Zu den möglichen Ursachen zählen unter anderem Stress, genetische Faktoren, immunologische Ausnahmesituationen wie eine Schwangerschaft oder auch das Geschlecht. Hierbei hat das weibliche Geschlecht ein erhöhtes Risiko. Außerdem können auch Infektionen eine Autoimmunerkrankung auslösen, da manche Erregerstrukturen körpereigenen Strukturen ähnlich sind und es so zu einer Verwechslung kommen kann.

MS und das Immunsystem: Was funktioniert hier nicht richtig?

Bei MS erkennt das Immunsystem fälschlicherweise die schützende Isolierschicht der Nervenzellfortsätze (Myelin) als fremd. Das führt zu einer Entzündungsreaktion an den betroffenen Nerven. Diese entzündlichen Stellen werden auch als Läsionen bezeichnet. Zellen des Immunsystems werden in das Zentrale Nervensystem geleitet und greifen die Myelinschicht an, diesen Vorgang nennt man Demyelinisierung. Da diese Myelinschicht wie bei elektrischen Kabeln zur Isolierung der Nerven dient, werden durch diese Demyelinisierung keine Signale mehr von der betroffenen Nervenzelle weitergegeben. Dadurch kann es je nach Nervenzelle zu unterschiedlichen Krankheitszeichen kommen, zum Beispiel zu Lähmungserscheinungen oder Sensibilitätsstörungen.

Kann man einer Autoimmunerkrankung vorbeugen?

Bei der Entstehung einer Autoimmunerkrankung spielen meist viele verschiedene Faktoren eine Rolle, wie genetische Faktoren und Umwelteinflüsse.

Generell ist es nicht möglich, Autoimmunerkrankungen vorzubeugen. Allerdings empfiehlt es sich, großen Wert auf einen gesunden Lebensstil zu legen. Mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und stressarmen Leben lässt sich der gesamte Organismus stärken.

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

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