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Therapie & Medikamente

Nervenzellen reparieren: Neue Behandlungsstrategien bei MS

7 Minuten

Veröffentlicht am 17.01.2018  von  Onmeda

Multiple Sklerose ist zwar bislang nicht heilbar, aber der Verlauf lässt sich mit Medikamenten positiv beeinflussen. Forscher tüfteln jetzt an neuen Therapien gegen MS, welche die Nervenzellen vor dem Untergang retten und bei der Reparatur der Schutzhüllen helfen. Ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand

Orangenes Pflaster auf blauem Grund.

Multiple Sklerose ist zwar bislang nicht heilbar, aber der Verlauf lässt sich mit Medikamenten positiv beeinflussen. Forscher tüfteln jetzt an neuen Therapien gegen MS, welche die Nervenzellen vor dem Untergang retten und bei der Reparatur der Schutzhüllen helfen. Ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand.

Die meisten Therapieansätze haben damit begonnen, zu verstehen, was im Körper genau vor sich geht, wenn die Krankheit voranschreitet. Bei der Nervenerkrankung multiple Sklerose (MS) ist es das körpereigene Immunsystem, das die Myelin-Schutzhüllen um die Nerven herum angreift und sie nach und nach zerstört.

Weltweit arbeiten Forscher mit Hochdruck daran, die lädierten Nervenzellen mit speziell entwickelten Wirkstoffen vor den Immunattacken zu schützen und die Neuronen dazu anzuregen, sich selbst zu reparieren. Und die Forschung kommt gut voran, wenn man der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) glaubt, die auf ihrem Jahreskongress 2017 in Leipzig einige vielversprechende neue Behandlungsansätze vorgestellt hat.

Antikörper als Reparaturmeister

Ein typisches erstes Symptom bei multipler Sklerose sind Entzündungen am Sehnerv. Um genauer zu verstehen, welche Vorgänge ablaufen, wenn die schützende Myelinschicht um die Nervenzellen zerstört und schließlich wieder repariert wird, konzentrierten sich Forscher auf genau dieses Symptom.

An ihren Patienten testeten sie einen zielgerichteten Abwehrstoff, einen sogenannten Antikörper. Das Medikament soll angegriffene Nervenhüllen dabei unterstützen, sich selbst zu reparieren. "Remyelinisierung" nennen Mediziner diesen Prozess. Dass der Sehnerv durch den Antikörper wieder besser arbeitet, machten die Forscher daran fest, ob seine Leitfähigkeit wieder hergestellt ist.

In ersten Versuchen zeigte das Medikament positive Wirkungen. "Das deutet darauf hin, dass eine Remyelinisierung stattfindet", erklärt Ralf Linker vom Universitätsklinikum für Neurologie in Erlangen. "Bevor wir das Medikament in der Regelversorgung verschreiben können, müssen jedoch große Zulassungsstudien den Nutzen der Behandlung weiter absichern."

Vielversprechend: Epilepsie-Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel

Einen anderen Wirkstoff haben englische Forscher getestet, der bisher im Einsatz gegen Epilepsie ist. Bei dieser Krankheit bremst der Wirkstoff, dass Salz-Ionen in die Nervenzellen einströmen, und verhindert so, dass diese überschießend aktiv sind. In Versuchen mit MS-Patienten schützte das Epilepsiemedikament auch den entzündeten Sehnerv. Indem es die Salzströme blockierte, rettete es die angegriffenen Nervenzellen vor dem Untergang. Diese Effekte hatten Forscher schon zuvor in Laborstudien an Zellen nachgewiesen.

Einen weiteren, interessanten Ansatz verfolgen die Professoren Ralf Gold und Aiden Haghikia von der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit der Universitätsklinik Erlangen. Sie testen, wie gut ein herkömmliches Nahrungsergänzungsmittel bei multipler Sklerose wirkt. Zum einen, so die Forscher, bremst es Entzündungen bei MS, indem es die Konzentration bestimmter Entzündungsbotenstoffe reduziert. Zum anderen wiesen sie in Laborversuchen mit Stammzellen von MS-Patienten nach, dass das Mittel auch Schutzeffekte auf die Nervenzellen hat.

Die Patienten berichten, dass sie wieder belastbarer sind und mehr Energie verspüren, nachdem sie das Nahrungsergänzungsmittel eingenommen haben. Gedacht ist das Mittel aber nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu den Basistherapien bei multipler Sklerose. In Kürze beginnen klinische Studien, in denen die Forscher das Nahrungsergänzungsmittel weiter auf den Prüfstand stellen.

Hoffnung auch für andere Nervenerkrankungen

All diese neuen Behandlungsansätze kommen aktuell nur im Rahmen von Studien zum Einsatz. Bis neue MS-Therapien für Patienten zum Behandlungsalltag gehören, dauert es Jahre. "Aktuell werden unterschiedliche Ansätze in verschiedenen Phasen klinischer Studien untersucht, die eine neue Dimension der Behandlung eröffnen könnten", hofft Neurologe Linker aus Erlangen.

Auch Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen könnten in Zukunft von den Forschungsarbeiten profitieren. Dazu gehört die Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson), bei der Nervenzellen in einer bestimmten Gehirnregion absterben, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Weitere Beispiele sind die Alzheimer-Krankheit (Morbus Alzheimer) oder die Multi-System-Atrophie, eine degenerative Erkrankung des Nervensystems. Auch hier gehen Nervenzellen in bestimmten Gehirnbereichen zugrunde.

Quellen:

Online-Information der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): www.dgn.org (Abrufdatum: 18.12.2017)
Online-Information der Selbsthilfevereinigung AMSEL e.V.: www.amsel.de (Abrufdatum: 18.12.2017)

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

*Quelle: www.onmeda.de

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