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Symptome

Uhthoff-Phänomen: Warum Hitze MS-Patienten zu schaffen macht

13 Minuten

Veröffentlicht am 05.06.2019  von  trotz ms Redaktion

Extrem heiße Temperaturen können die Beschwerden bei Multipler Sklerose vorübergehend verstärken. Was steckt hinter der Hitzeempfindlichkeit und was können Betroffene gegen die Auswirkungen des Uhthoff-Syndroms tun? Erfahre, was an heißen Tagen helfen kann – mit Tipps der trotz ms Community.

Ventilatoren vor brauner Hauswand

Der Klimawandel sorgt langsam, aber kontinuierlich für höhere Temperaturen. Das bemerken wir inzwischen auch bei uns: Die Tage, an denen die Hitze 30 Grad und mehr erreicht, werden häufiger. Was für die einen ein Supersommer ist, macht vielen Menschen mit MS zu schaffen: Bei 60 bis 80 Prozent lösen hohe Temperaturen das Uhthoff-Phänomen aus. Dabei verschlechtern sich MS-Symptome bei hohen Temperaturen. Darauf weist das Multiple Sklerose Zentrum Dresden hin, das zum Zentrum für Klinische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus gehört. Viele MS-Betroffene fühlen sich bei Hitze schlapp, müde und benommen. Auch Fatigue, Seh- und Sensibilitätsstörungen oder motorische Einschränkungen können zunehmen. Manche erleben Lähmungen und Spastiken und sind plötzlich nicht mehr in der Lage, zu gehen. Wichtig zu wissen: Die Verschlechterung der Symptome geht wieder vorüber.

„Pseudoschub“: Hitze löst das Uhthoff-Phänomen aus

Der Grund für die Beschwerden liegt in den Folgen der entzündlichen Nervenerkrankung im Gehirn und Rückenmark. „Dort bilden sich nach Abheilen der aufgetretenen Entzündungsherde Narben im Bereich der Nervenfasern, die bei Erhöhung der Körpertemperatur schlechter die Informationen weiterleiten können und somit zum Wiederauftreten von Beschwerden führen können“, erklärt Prof. Tjalf Ziemssen, Leiter des Zentrums für klinische Neurowissenschaften und des Multiple Sklerose Zentrums am Uniklinikum Dresden. Deshalb würden viele MS-Betroffene auf Hitze mit einer deutlichen Verschlechterung und Verstärkung ihrer Symptome reagieren.

Ein echter Krankheitsschub sei dies aber nicht, betont MS-Spezialist Ziemssen. Hitze allein löst keinen Schub aus. Vielmehr handele es sich um einen „Pseudoschub“, der auch als Uhthoff-Phänomen bekannt sei. Der deutsche Augenarzt Wilhelm Uhthoff beschrieb das Phänomen erstmals, als er bei seinen Patientinnen und Patienten eine vorübergehende Abnahme der Sehschärfe nach körperlicher Anstrengung beobachtete. Steigt die Körpertemperatur, etwa aufgrund von Fieber oder einer erhöhten Temperatur in der Umgebung, verstärken sich die Beschwerden.

Erfahrungen der trotz ms Community mit Auswirkungen von Hitze

„Hitze wirkt auf meinen Körper und Symptome wie Fatigue, Sehstörungen, Gangstörung und kognitive Probleme sehr extrem. „Ich fühle mich wie lahmgelegt“, beschreibt MS-Betroffene Kerstin die Auswirkungen. Kevin, der bis dahin vom Uhthoff-Phänomen weitgehend verschont wurde, erlebte seinen Sommerurlaub so: „Es fiel mir täglich schwerer, die Wärme und Luftfeuchtigkeit zu ertragen. Selten konnte ich länger als zwei Stunden draußen sein und wechselte regelmäßig meinen Standort in einen klimatisierten Raum. Trotz Erholung und Nichtstun war ich müde, kraftlos und unkonzentriert.“

Abkühlung lässt die Symptome verschwinden

In einer kühleren Umgebung bilden sich die entstandenen Symptome in der Regel wieder zurück – entweder sofort oder spätestens nach 24 Stunden. Temperaturempfindliche Menschen mit MS können dem Uhthoff-Phänomen mit einigen Maßnahmen selbst vorbeugen:

  • Vermeide größere körperliche Anstrengung bei heißen Temperaturen.
  • Verlege unbedingt notwendige Tätigkeiten besser auf die frühen Morgen- oder kühleren Abendstunden.
  • Meide die pralle Sonne. Gehe in klimatisierte Räume, in den Schatten oder lüfte kräftig durch.
  • Bei hohen Außentemperaturen tagsüber die Fenster schließen und die Räume mit Vorhängen oder Rollos verdunkeln.
  • Achte darauf, ausreichend zu trinken, um einem Flüssigkeitsverlust vorzubeugen. Er würde die Symptome zusätzlich verschlimmern. Das ideale Getränk ist Wasser.

DMSG empfiehlt Kühlwesten für Menschen mit MS

Der ärztliche Beirat der DMSG erklärt: Kühlkleidung ist ein effektives Hilfsmittel – leicht anzuwenden, ohne Nebenwirkungen und relativ kostengünstig: „Kühlwesten, Stirnbänder, Nackentücher, Kühlhauben oder Kühlstrümpfe [sind] eine wesentliche Therapieoption“, auch vorsorglich bei zu erwartender Hitze oder Anstrengung. Zahlreiche Studien belegen dies:

  • Vorsorgliches Kühlen konnte in einer Studie einer Verschlechterung von Symptomen vorbeugen.
  • Beim Tragen von Kühlkleidung verbessern sich Fähigkeiten Betroffener, gemessen an der Gehgeschwindigkeit und Ausdauer.
  • Fatigue wird als schwächer wahrgenommen, Unabhängigkeit im Alltag hingegen stärker.

Tipps der trotz ms Community beim Uhthoff-Effekt

Wir haben die trotz ms Community nach ihren Tipps für heiße Tage gefragt:

Kryo-Fußbad

Fülle einen Eimer mit Wasser und Eiswürfeln und mache darin ein Fußbad – das funktioniert auch am Strand. Dieser Tipp eignet sich auch super, wenn Du zum Beispiel mit dem Freundeskreis im Sommer auf dem Balkon sitzen möchtest.

„An heißen Sommertagen hilft mir nur ein kühler, schattiger Ort, um den Tag zu überstehen, oder man kühlt seinen Körper mit Hilfsmitteln herunter.“ Ann-Kathrin, MS-Betroffene

Kühlhandtücher

Ursprünglich wurden Kühlhandtücher für den Sport entwickelt. Sie sind dünn, sodass Du sie platzsparend überall mit hinnehmen kannst. MS-Betroffener Ann-Kathrin helfen sie im Alltag und durch den heißen Sommer. Nimm ein feuchtes Kühlhandtuch und schüttle es kräftig – dadurch wird es kühl. Du kannst das Handtuch zum Beispiel um die Stirn binden, auf die Beine legen oder um die Unterarme wickeln. Sofort verspürst Du eine angenehme Kühle.

Kühlkappe

Für Bloggerin Kerstin im Sommer unverzichtbar: eine Kühlkappe oder Kühlhaube. Diese wird kurz in kaltes Wasser getaucht und ausgedrückt. Sie hält den Kopf rund zwei Stunden kühl und ist eine perfekte Begleiterin für Strand und heiße Tage. Neben der Kappe hat Kerstin auch eine Kühlweste, die den Oberkörper rund zwei Stunden kühlt. Kerstins Erfahrung: „Damit bin ich aktiver und auch wacher.“ Auch Kühlstrümpfe können helfen.

„Gönn Dir das ein oder andere Wassereis. Bei starker Fatigue oder weiteren Symptomen ist es ein Tropfen auf den heißen Stein – aber einer, der die Laune etwas anhebt.“ Kevin, MS-Betroffener

Miniventilator

Den bekommst Du im Urlaub häufig an typischen Touristenständen. Am besten kaufst Du einen mit integriertem Wasserbehälter. So bekommst Du neben dem kühlenden Wind auch etwas Feuchtigkeit ab. Der Effekt ist auf jeden Fall besser als bei einem Fächer: Denn das Wedeln regt Deinen Blutkreislauf an und Dir wird noch wärmer.

Kühlmatte

Um den ganzen Körper abzukühlen, eignen sich Kühlmatten. Kerstin hat inzwischen drei davon: So kann sie an heißen Tagen übergangslos auf die nächste Matte wechseln. Die Matten halten den Körper angenehm kühl, sodass die Müdigkeit und Schwere in den Beinen deutlich verbessert werden.

Ein hartnäckiger Mythos ist es übrigens, dass Menschen mit Multipler Sklerose aufgrund ihrer Hitzeempfindlichkeit nicht in die Sauna gehen dürfen. Als allgemeiner Grundsatz sei dies jedoch nicht richtig, so Ziemssen. Viele MS-Betroffene profitieren sogar von einem Saunabesuch.

Die beste Vorbeugung gegen das Uhthoff-Phänomen ist, einen Anstieg der Körpertemperatur zu vermeiden und direkt Maßnahmen zur Abkühlung zu ergreifen, sobald die Temperaturen steigen. Du hast noch mehr Fragen zum Umgang mit dem Uhthoff-Syndrom? Du kannst Dich jederzeit an trotz ms MEIN SERVICE wenden. Melde Dich online oder unter der kostenlosen Servicenummer – 0800.1010800. Das Team ist Mo –Fr von 8–20 Uhr für Dich da.

Hinweis: Die ursprüngliche Version des Textes stammt von Onmeda.

Inhaltlich geprüft: M-DE-00017959

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