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Dorina, MS-Angehörige, 14 Jahre

Erfahrungsberichte

Wenn der Alltag mit MS nicht alltäglich ist

7 Minuten

Veröffentlicht am 31.03.2021  von  Dorina

Alltag – ein kleines Wort und doch kann so viel Verschiedenes dahinterstehen. Für uns ist Alltag ein unpassendes Wort für das, was unser Tagesablauf beinhaltet. Im Grunde herrscht auch bei uns ein ganz normaler Alltag, aber mit der MS ändert sich doch einiges. Durch sie haben wir mit anderen Problemen zu kämpfen, als Familien, in denen kein Mitglied von MS betroffen ist.

Die MS bestimmt den Alltag

Der Tagesablauf soll auch bei uns nach Möglichkeit weitestgehend geregelt sein. Lange vorausplanen geht aber eher selten, weil die Krankheit uns gerne einen Strich durch die Rechnung macht. Oftmals wird unser Alltag auch von den zahlreichen Arzt- und sonstigen Terminen meiner Mutter bestimmt.

Dies geht bereits bei den kleinsten Kleinigkeiten los: etwa bei der Idee, zusammen ins Fitnessstudio zu fahren. Wenn wir uns das vornehmen, gibt es keine Garantie, dass wir unseren Plan auch tatsächlich umsetzen können. Schon wenige Minuten nach diesem Gedanken kommt es vor, dass meine Mutter plötzlich sehr müde oder antriebslos ist und sich dagegen entscheidet, noch loszufahren. Diese Entscheidung trifft sie häufig aufgrund des Stresses, dem man bei einer Autofahrt ausgesetzt ist. Denn durch die dauerhaft erforderte Konzentration ist es für sie wie Gift für den Körper.

In der Ruhe liegt die Kraft

Bei uns gibt es häufiger Tage, an denen bei meiner Mutter die MS-bedingte Müdigkeit überwiegt oder die Spastiken in ihren Beinen besonders stark sind. Doch das stoppt uns nicht, trotzdem einen möglichst normalen Tagesablauf zu haben. Der Stress ist jedoch das Schlimmste und schon kleine Abweichungen der „normalen“ Tagesstruktur führen schnell dazu: Erst neulich war meine Mutter sehr aufgebracht, weil sie dachte, dass ein Paket gestohlen worden sei – bis ihr wieder einfiel, dass es bereits am Vortag angekommen war. In solchen Situationen ist Ruhe bewahren die einzige Möglichkeit, zu einem Ergebnis zu kommen – wie meine Mutter jetzt sagen würde: „In der Ruhe liegt die Kraft“.

MS-Angehörige Dorina in der Natur

Stress ist Gift für Menschen mit MS

In der Vergangenheit ist es auch sehr oft vorgekommen, dass meine Mutter sich am frühen Nachmittag nach dem Mittagessen erst einmal hinlegen musste. Sie geht am Vormittag arbeiten, holt mich auf dem Nachhauseweg von der Schule ab (die direkt auf dem Heimweg liegt), kocht täglich frisch und dann geht erst einmal gar nichts mehr. Wenn noch Einkäufe zu erledigen sind, ein Besuch im Fitnessstudio geplant ist oder irgendwelche anderen Termine anstehen, wird es schwierig, diese Termine auch noch wahrzunehmen. Es kann auch passieren, dass allein die Tatsache, dass wir an unserem Plan festhalten wollen, meine Mutter stresst.

Im letzten Jahr ist es ein bisschen besser geworden, da meine Mutter als Risikopatientin in Sachen Corona schon seit Ende März 2020 im Homeoffice ist und sie sich mittlerweile gut organisiert hat, um mit ihren Energiereserven besser umgehen zu können.

Ein bisschen mehr Spontanität wäre schön

Was bei uns wohl immer anders ist als bei Familien ohne chronisch Erkrankte, ist die fehlende Spontanität. Nicht nur im normalen Alltag von Montag bis Freitag, sondern oft auch bei Wochenendaktionen. Wenn andere Familien spontan bei schönem Wetter beschließen, die Badesachen zu packen und zum Schwimmen zu fahren, müssen wir immer erst einmal schauen, wie es um die Energiereserven meiner Mutter bestellt ist oder ob sie vielleicht gerade von Spastiken oder sonstigen Schmerzen geplagt wird, die einen unbeschwerten Tag von vornherein ausschließen.

Das macht uns manchmal alle ein bisschen traurig, aber niemand hat sich das ausgesucht und so haben wir gelernt, damit umzugehen. Manchmal können wir das besser und manchmal schlechter. Kommt eine „Stresswelle“ auf, ist es manchmal klüger, ihr einfach einige Minuten zum Beruhigen zu geben, anstatt dagegen zu reden und zu sagen, dass Stress kontraproduktiv ist. Das hilft nämlich gar nicht.

Wenn es ihr mal nicht gut geht, versuche ich einfach, für sie da zu sein und Verständnis zu zeigen. Natürlich ist das nicht immer leicht. Selbstverständlich würde ich gerne öfter mit ihr nach draußen gehen, Fahrrad fahren oder Badminton spielen. Jedoch muss ich auch akzeptieren, wenn es mal nicht klappt.

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