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Dorina, MS-Angehörige, 14 Jahre

Erfahrungsberichte

Deine Mutter hat MS? Die Fragen der anderen

7 Minuten

Veröffentlicht am 28.01.2021  von  Dorina

Schon zu meiner Grundschulzeit war MS ein mehr oder weniger großes Thema für mich. Immer wenn ich anderen von der Krankheit meiner Mutter erzählte, stellten sie mir unangenehme Rückfragen. Wenn ich also sagte „Meine Mutter hat MS“, sah mich mein Gegenüber so an, als hätte ich gerade erzählt, sie hätte Krebs.

Eine häufige Reaktion von Freunden oder Mitschülern auf diese Aussage war zum Beispiel die Frage, was MS eigentlich sei. Genau erklären konnte ich es zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht, dafür war ich noch zu jung. Ich konnte deshalb selbst nicht hundertprozentig verstehen, was die Krankheit mit meiner Mutter macht oder wie sie unseren Alltag verändert. Aber ich konnte es so wiedergeben, wie es mir beigebracht wurde, nämlich, dass „die MS in ihrem Kopf sitzt und sie manche Dinge nicht so einfach machen kann wie andere Menschen: zum Beispiel jeden Tag ausgelassen mit mir Ball zu spielen, mit mir um die Wette zu rennen oder in sich drehende Fahrgeschäfte zu gehen. Meine Mama ist oft müde und kann nicht immer gleich aufspringen, wenn ich etwas von ihr will. Außerdem geht MS nie wieder weg und wir müssen mit ihr leben.“

Fragen über Fragen

Spätestens nach diesem Satz kamen Reaktionen wie „Das tut mir total leid“ oder „Oh Gott“. Meistens antwortete ich darauf bloß „Was meinst Du? Ist doch nicht schlimm!“ Aber mit dieser Aussage war ich mir irgendwann nicht mehr so sicher. „Bekommst Du das jetzt auch?“ wurde ich ebenfalls schon gefragt. Auch das konnte ich nicht sicher beantworten, denn direkt vererbt werden im eigentlichen Sinne kann die Krankheit wohl nicht. Dennoch scheint die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens ebenfalls mit MS diagnostiziert zu werden bei Verwandten von Betroffenen leicht erhöht zu sein. Dies trifft aber auch für andere Erkrankungen zu. In 4% der MS-Familien findet man mehr als einen Betroffenen, so die DMSG.

Dorina sitzt auf einem Steg

Mitleidige Reaktionen wollte ich nicht

Es war nicht die Krankheit an sich, vor der ich mich fürchtete. Es waren vielmehr die Blicke meiner Mitschüler. So bemitleidenswert, als würde ich bald ohne Mutter dastehen. Natürlich war dem nicht so, aber ich begann darüber nachzudenken, ob ich falsch mit der MS umging. Meine Gedanken waren zu der Zeit dann ungefähr so: „Vielleicht sollte ich nicht so offen darüber reden. Vielleicht muss ich ja auch Angst haben. Was ist, wenn mir verschwiegen wird, dass die Krankheit doch schlimme Auswirkungen auf unseren Alltag haben kann? Kann MS tödlich enden? Bleibt das wirklich für immer so? Was wäre, wenn die Krankheit nicht da wäre? Bekomme ich jetzt auch MS?“

Irgendwann verschwieg ich die MS meiner Mutter

Aufgrund dieser Reaktionen erzählte ich irgendwann nicht mehr jedem, der es wissen wollte, was mit meiner Mutter anders war als bei anderen. Es nervte mich auch, dass ich es immer genau erklären musste, um nicht wieder die gleichen Reaktionen zu bekommen, denn dabei fühlte ich mich immer sehr schlecht. Ich fing auch an, immer an meine Erklärung hinzuzufügen „Ist wirklich nicht so schlimm, ich kenne es ja nicht anders. Es gibt viel schlimmere Verläufe, wir sind ja noch gut dran.“ Das stimmt auch. Ich kenne einige MS-Erkrankte, die nur schlecht laufen können oder extreme Schmerzen haben. Dann bin ich auch wieder froh, dass meine Mutter relativ kleine Einschränkungen im Vergleich zu anderen hat.

Heute wissen nur meine engsten Freunde von der Krankheit, denn bei ihnen muss ich keine Angst haben, dass sie mich mitleidsvoll anstarren oder hinter meinem Rücken tuscheln. Aus diesem Grund kann ich inzwischen innerhalb meines vertrauten Freundeskreises offener mit der MS meiner Mutter umgehen als früher.

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