Jennie, MS-Betroffene, 45 Jahre
6 Minuten
Veröffentlicht am 23.02.2022 von Jennie
Typische und häufige MS-Symptome sind zum Beispiel: motorische Störungen, kognitive Aussetzer, Sprachstörungen, Muskelkrämpfe, Sehstörungen, Depressionen bzw. depressive Verstimmungen, schnelle Ermüdbarkeit – um nur mal ein paar der häufigsten unserer Probleme zu nennen. Natürlich hat jeder Mensch einmal Beschwerden. Aber bei uns MSlern bleiben sie meist dauerhaft.
Egal ob mit oder ohne MS hat man gelegentlich die einen oder anderen Beschwerden. Wenn ich, was ich nur sehr selten tue, von meinen Problemen erzähle, sind die Reaktionen eigentlich immer ähnlich: „Ach, das kenn ich, das habe ich auch / naja, das ist ja nicht so schlimm / ja, das hat man manchmal / das hatte ich auch schon”, gefolgt von schlauen Ratschlägen: mehr Sport machen / Ingwertee trinken / Magnesium nehmen / spazieren gehen / Yoga machen / „Probier mal xy, das hat bei mir geholfen!“
Die Tipps sind nett gemeint, aber bei all dem „Das kenn ich, das habe ich auch!“ fühlt man sich und seine Probleme nicht recht ernst genommen. In einem Fall ist mir dabei mal ein angesäuertes, genervtes und ironisches: „Ach, dann hast du also auch MS?!“ rausgerutscht.
Sorry, nein, Ihr kennt die Symptome vermutlich nur ansatzweise. Denn sehr wahrscheinlich sind sie bei Euch nur vorübergehend. Sie sind nicht dauerhaft, weniger intensiv und nicht auf eine bleibende Schädigung oder akute Entzündungsaktivität im Gehirn zurückzuführen. Im Gegensatz zu unseren sind Eure Probleme in der Regel nicht bleibend. Sie sind reversibel: Ist die Ursache behoben, verschwinden sie wieder.
Unsere Symptome und Probleme lassen sich leider nicht beheben, denn ihre Ursachen liegen im zerstörten Gewebe des zentralen Nervensystems. Sie sind dauerhaft – aber zum Glück haben Gehirne ein hohes Maß an Plastizität: Nerven können sich neu vernetzen und andere ersetzen. Ganz vereinfacht erklärt: Stellt Euch das Gehirn und die Reizweiterleitung als ein großes, komplexes Straßennetz vor. Irgendwo gibt es leider Baustellen und Löcher in der Straße. Der Verkehr fließt trotzdem weiter, irgendwie kommt man zum Ziel – nur etwas langsamer, da Umwege gesucht und gefunden werden müssen und die Strecken länger und anstrengender werden. Aber irgendwie läuft’s. Das Ganze funktioniert natürlich nur bis zu einem gewissen Maß und wenn die „Baustellen“ und Schäden noch nicht zu ausgeprägt sind.
Wir können das Gehirn aktiv unterstützen, die „Baustellen“ zu „umfahren“. Wir können Übungen machen, um zum Beispiel den Gleichgewichtssinn, die Koordination oder Merkfähigkeit zu verbessern und zu trainieren. Wir können durch Entspannungsübungen die Muskelkrämpfe lindern und durch eine gesunde Ernährung und Lebensweise unser Wohlbefinden steigern.
Jetzt versteht Ihr vielleicht ein wenig, warum Eure gelegentlichen Beschwerden nicht unbedingt vergleichbar sind und Betroffene auf Euer „Das kenn ich, das habe ich auch!“ vielleicht manchmal komisch reagieren …
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