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Manuela T., MS-Angehörige, 43 Jahre

Erfahrungsberichte

Was chronische Erkrankungen uns über Freundschaften lehren

8 Minuten

Veröffentlicht am 16.04.2019  von  Manuela T.

Ich lernte Alex im Jahre 2014 kennen und wusste von seiner MS Erkrankung, aber es hielt mich nicht im Geringsten davon ab, eine Freundschaft mit ihm einzugehen. Entweder nimmt man die Menschen wie sie sind oder man hält sich fern. Ganz einfach.

Empathie ist nicht selbstverständlich

Oftmals bekam ich mit, wenn Alex ganz offen über seine MS Erkrankung gesprochen hat, dass die Leute zuerst total überrascht sind und dann solche Sätze fielen wie: „Was? Echt jetzt? Du? Das sieht man Dir gar nicht an. Und wie geht es Dir damit?! Oh Du Armer, das ist aber krass?!“ Viele Menschen wissen überhaupt nicht, damit umzugehen und es fehlt ihnen anscheinend auch eine gewisse Portion Empathie.

Ich für meinen Teil kann dazu sagen, dass ich es wirklich gut getroffen habe mit den Freundinnen, die an meiner Seite sind. Sie sind ein bisschen wie Familie für mich geworden. Sie sind verständnisvoll, wenn es einem mal nicht so gut geht und versuchen dann auch, jemanden irgendwie wieder aufzumuntern. Kurzum: Sie sind da, wenn man sie braucht. Und das ist alles, was zählt. Aber auch Alex‘ Freunde, die stets hinter ihm stehen und auch dafür sorgen, dass er in manchen Lagen nicht den Kopf hängen lässt, sind zur Stelle, wenn man sie braucht. Das war bei uns beiden nicht immer so.

Wahre Freunde erkennt man leichter, wenn das Leben schwerer wird.

Am Anfang, als ich Alex kennenlernte, erzählte er mir, wie es war, als er die Diagnose MS bekam. Ich fragte natürlich auch, wie seine Freunde reagierten – da trennte sich wohl die Spreu vom Weizen. Denn einige, bei denen er es nie für möglich gehalten hätte, wandten sich tatsächlich ab. Engere Freundschaften gingen auseinander. Davon kann ich ebenso „ein Liedchen singen“ – Freundschaften gehen immer nur so lange gut, wie die Interessen gleichbleibend sind oder auch quasi der Umkreis und die Umstände der Freunde ähnlich sind.

Wenn sich die Lebenswelten verändern

Aufgrund meiner chronischen Erkrankung ist mir das Kinderkriegen nur schwer bis gar nicht möglich. Meine damaligen Freundinnen wussten davon, hatten mich aber immer wieder versucht zu motivieren, mich aufzumuntern und anzutreiben. Bis sie selbst schwanger wurden. Die Freundschaften gingen dann auseinander, als die Freundinnen das erste Kind bekamen.

Sie lernten Gleichgesinnte kennen, dann kam der Kindergarten, dann kam das zweite Kind. Sie lernten andere Mütter und Väter kennen und so gingen die Interessen weit auseinander. Die Zeit miteinander wurde immer weniger, der Kontakt wurde weniger und schließlich brach er ganz ab. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass es sie nicht mehr interessiert hatte, wie es mir geht, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt waren. Das war sehr bitter für mich. Ich habe den Fokus dann auf andere Dinge gelegt – man muss eben mit den Gegebenheiten arbeiten, die man hat.

Manchmal muss man Menschen aufgeben. Nicht weil sie Dir egal sind, sondern weil Du es ihnen bist.

Diese Freunde haben es meiner Meinung nach, nicht verstanden – nicht wirklich gefragt, sich nicht bemüht, auch mal nachzuhaken, was es überhaupt für jemanden bedeutet, chronisch erkrankt zu sein. Nichts. Es ist schmerzhaft, solche Erfahrungen zu machen, geradezu verletzend und enttäuschend. Aber es zeigt uns den wahren Charakter von sogenannten „Freunden“. Es hat einen bestimmten Grund, warum sie den Weg mit uns nur bis dorthin geschafft haben. Manchmal muss man den Tatsachen einfach ins Auge sehen und loslassen. Ich sage dazu nur: Diese Menschen haben es nicht verdient, mit uns befreundet zu sein! Denn lieber einen oder zwei wahre Freunde, als solche, die nur dann da sind, wenn alles rund läuft oder nur, wenn es ihnen passt. Mit solchen Menschen gewinnt man keine Kriege.

Wahre Freunde sind übrigens die, die bleiben, wenn man mal nicht wie gewohnt funktioniert.

Umso schöner ist es, wenn man dann sieht, wer geblieben ist! Wahrscheinlich hat man gerade mit diesen Menschen nicht gerechnet, weil man vielleicht nicht so den engen Kontakt gepflegt, sich aber doch nie aus den Augen verloren hat. Diese Menschen stehen dann plötzlich da und setzen sich zu Dir, wenn du unten am Boden bist, statt Dir einfach nur zu zeigen, wie Du wieder aufstehst. Sie stärken Dein Selbstbewusstsein, bauen Dich auf und helfen Dir auch mal durch nicht so angenehme Zeiten – dafür sind Freunde da.

Manuela und Freundin

Diese Freundschaftssache erinnert mich an einen sehr schönen Text:

Gute Freunde helfen Dir, wichtige Dinge wiederzufinden, wenn Du sie verloren hast.

Dein Lächeln.

Deine Hoffnung.

Und Deinen Mut.

In diesem Sinne, wünsche ich Euch allen die besten Freunde, die es nur gibt!

Eure Manuela

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

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