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Ursachen

Gibt es eine gutartige Form der MS?

7 Minuten

Veröffentlicht am 29.11.2017  von  Onmeda

Multiple Sklerose verläuft individuell oft sehr unterschiedlich. Während die meisten Patienten im Verlauf der Nervenerkrankung neurologische Beeinträchtigungen erleben, bleiben andere davon verschont – manchmal sogar über 30 Jahre lang. Diesem Rätsel gehen Forscher nach.

Mädchen mit Smileys auf den Händen

Forscher fanden heraus, dass die MS über Jahre hinweg stabil bleiben kann.

Charakteristisches Merkmal der multiplen Sklerose (MS) ist, dass sie in den meisten Fällen in Schüben verläuft oder chronisch fortschreitet. Die Patienten erleben zum Beispiel motorische Störungen, Lähmungen, Sehstörungen oder die Fatigue. Auch die kognitiven Fähigkeiten können schwinden.

Doch das muss nicht zwangsläufig so sein, wie eine aktuelle Studie des Institute of Neurology am University College London (Großbritannien) zeigt. Über 30 Jahre begleiteten die Wissenschaftler eine Gruppe von MS-Patienten. So schlimm manche Krankheitsverläufe auch waren – offenbar gibt es auch einen gutartigen MS-Verlauf. Die Nervenerkrankung bleibt dann über Jahrzehnte mild und stabil. Die Ergebnisse stellten britische Wissenschaftler um Karen K. Chung im Oktober 2017 auf dem Kongress MSParis2017 vor.

Engmaschig begleitet

Zwar sind die Kriterien für die Einstufung "gutartig" unter Neurologen noch umstritten. Einige vertreten die These, es gebe überhaupt keine gutartige MS-Form. Dem wollten die Forscher vom University College nachgehen und herausfinden, ob bei MS-Patienten 30 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome auch ein gutartiger Verlauf möglich ist. Dies bedeutet, dass das zentrale Nervensystem dauerhaft nicht beeinträchtigt ist.

An der Langzeitstudie nahmen 132 Patienten mit der Diagnose KIS teil. Die Abkürzung steht für "Klinisch isoliertes Syndrom" und meint ein Anfangsstadium der MS. Die Probanden wurden über 30 Jahre beobachtet, das heißt, sie wurden entweder persönlich begutachtet oder in Telefoninterviews zu ihrem Befinden und ihren Einschränkungen befragt. 29 Probanden starben im Studienzeitraum, 19 davon an MS. Zwölf Patienten brachen die Studie vorzeitig ab.

Alle fünf Jahre unterzogen sich die Teilnehmer einer Magnetresonanztomografie (MRT), außerdem wurden sie zu ihren Einschränkungen befragt. Dafür wurde die sogenannte "Expanded Disability Status Scale" (EDSS) eingesetzt. Die Skala von 0 bis 10 Punkten lässt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Behinderungen zu. Je höher die Zahl ist, desto stärker sind die Einschränkungen. Über die Hälfte der Studiendauer hinweg bestimmten die Forscher zusätzlich die Funktion der Arme und Beine, die kognitiven Fähigkeiten sowie die Berufsfähigkeit.

MS kann über Jahrzehnte stabil bleiben

Von den 91 Studienteilnehmern, die bis zum Ende dabei waren, entwickelten 30 Patienten (33 Prozent) keine multiple Sklerose im Beobachtungszeitraum. Sie blieben also im KIS-Stadium. 35 Probanden (44 Prozent) entwickelten eine schubförmig-remittierende MS und 26 von ihnen (30 Prozent) die schwere sekundär-progressive Form. Der schubförmige Verlauf wurde also zu einem chronifizierten. Bemerkenswert ist, dass nur elf der 61 Patienten, bei denen die multiple Sklerose voranschritt, zu irgendeinem Zeitpunkt eine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten hatten. Solche Medikamente kamen erst einige Jahre nach dem Beginn der Studie auf den Markt.

31 der 35 Patienten (88 Prozent) mit schubförmig-remittierender MS hatten auch 30 Jahre später noch einen EDSS-Wert von unter 3,0. Alle übten noch einen Beruf aus oder waren im normalen Rentenalter in den Ruhestand gegangen. Nur ein Patient aus dieser Gruppe zeigte milde kognitive Beeinträchtigungen. "Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten mit schubförmiger MS drei Jahrzehnte nach dem Krankheitsausbruch nur milde oder keine körperlichen und kognitiven Symptome entwickeln", so Studienleiterin Karen K. Chung. Entweder erleben Patienten einen milden und stabilen Verlauf oder die Krankheit schlägt den Weg in die sekundär-progrediente Form ein.

Aufgrund der Studienergebnisse geht Chung davon aus, dass die gutartige multiple Sklerose tatsächlich existiert. Bei welchen Patienten die MS aber welchen Verlauf nimmt, lässt sich bislang nicht vorhersagen.

Quellen:

Chung K et al.: Does 'benign' multiple sclerosis exist? A 30-year follow-up study of people presenting with clinically isolated syndrome. ECTRIMS-ACTRIMS Meeting, Paris, 2017

Online-Information der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG): www.dmsg.de (Abrufdatum: 17.11.2017)

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

*Quelle: www.onmeda.de

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