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Nicole, MS-Betroffene, 45 Jahre

Erfahrungsberichte

Wir führen eine Ehe zu dritt – mit MS

9 Minuten

Veröffentlicht am 22.05.2018  von  Nicole

Wir sind jetzt 26 Jahre verheiratet und ich bin Gott unendlich dankbar für meinen Mann. Er ist ein Gottesgeschenk für mich. Als wir damals heirateten, waren wir voller Freude und schworen uns, in guten und in schlechten Zeiten zueinander zustehen. Keiner von uns dachte damals, dass auch schlechte Zeiten kommen würden. So verging die Zeit wie im Flug, unsere Tochter Jennifer wurde geboren – sie brachte uns nur Freude. Sie ist so ein liebevoller und hilfsbereiter Mensch.

Das Schicksal schlug zu

Als ich 2008 die Diagnose MS bekam, veränderte das mein Leben vom einen auf den anderen Tag. Ich war so verzweifelt und voller Angst. Ich kannte mich ja nicht aus, wusste nicht, was MS bedeutet. Ich dachte nur: „Rollstuhl“ und „unheilbar krank“ und „Wie lange habe ich noch?“. Das Gedankenkarussell drehte sich wie verrückt: „Was will mein Mann jetzt mit einer unheilbar kranken Frau?! Ich werde sicher nie erleben, wie unsere Tochter heiratet! Nie mit unseren Enkelchen spielen können! Für mich ist hier Endstation – das war mein Leben.”

Jeder Mensch hat seinen Engel

Doch mein Mann ist unerschütterlich. Er meinte: „Wir schaffen das, zusammen sind wir stark.” Er begleitete mich zu allen Arztterminen und wir wurden gemeinsam über die MS und die Therapiemöglichkeiten aufgeklärt. Als ich wusste, dass die Erkrankung nicht immer schlimm sein muss und es tolle Medikamente gibt, die den Verlauf positiv beeinflussen können, war ich etwas beruhigter. Da mein Mann mich immer zu allen Arztterminen begleitete und mir sogar bei der Verabreichung meines Medikaments half, gab er mir unheimlich viel Kraft und Zuversicht.

Hochzeitsbild von Nicole und ihrem Mann

Nicole und ihr Mann

Nicole und ihr Mann

Die schönsten Worte

Wir sprechen ganz offen miteinander. Und so habe ich auch zu ihm gesagt, ich würde es verstehen, wenn Du Dich von mir trennen möchtest, schließlich hast Du eine gesunde Frau geheiratet und jetzt hast Du eine unheilbar Kranke an Deiner Seite. Ich wär ihm nicht böse, er habe ja schließlich sein ganzes Leben noch vor sich. Er nahm mich in die Arme und meinte, dass er dies auf keinen Fall tun würde. Wir stünden das gemeinsam durch – in guten wie in schlechten Zeiten. Das waren die schönsten Worte, die er mir sagen konnte.

Perfekt ist das Leben nie, aber es gibt Menschen, die es schöner machen.

In den folgenden Jahren hatten wir immer wieder Schicksalsschläge (MS-Schübe) zu bewältigen. Egal, wie schlecht es mir ging, mein Mann war und ist immer an meiner Seite: Er hilft mir im Haushalt und im Alltag zum Beispiel beim Einkaufen, Anziehen, Waschen und Kämmen, wenn mich ein Schub mal wieder lahmlegt. Er baut mich immer wieder auf, spricht mir Hoffnung zu und bringt mich zum Lachen. Als ich damals durch ein Medikament 25 Kilogramm zunahm und aussah wie ein Monster, schämte er sich nicht für mich und ging mit mir Hand in Hand durch die Stadt – das ist LIEBE! Er gibt mir so viel Kraft und Hoffnung, dass ich positiv in die Zukunft schauen kann. Das Wichtigste bei einer Krankheit wie MS ist, einen Partner an seiner Seite zu haben, der einen unterstützt. Dann ist das Päckchen, das man zu tragen hat, nur noch halb so schwer.

Und wieder zerplatzte ein Traum

Als wir letztes Jahr durch einen erneuten MS-Schub die Reise zu unserer Silberhochzeit mit der AIDA absagen mussten, fühlte ich mich so schlecht und dachte: „Jetzt vermiese ich ihm auch noch unseren gemeinsamen Traum von der Reise.” Ich weinte und entschuldigte mich bei ihm. Er meinte aber nur: „Du bist wichtig, komm jetzt erst mal wieder auf die Beine und die Reise holen wir im nächsten Jahr nach.” Selbst beim Schreiben bekomme ich noch eine Gänsehaut, denn diese unendliche Liebe, das Verständnis und die Hilfsbereitschaft, die er mir entgegenbringt, sind nicht selbstverständlich. Ich danke Gott, dass er mir diesen Menschen an die Seite gestellt hat.

Erholsame Stunden

Zusammen haben wir auch diesen Schicksalsschlag mit Bravour gemeistert. Ich kann wieder laufen und nun haben wir für uns sogar ein gemeinsames Hobby gefunden: Wir gehen zweimal die Woche etwa zehn bis zwölf Kilometer walken in eineinhalb Stunden! Es tut uns unheimlich gut, in der Natur zu sein und neue Energie zu tanken. Die gemeinsamen Stunden mit meinem Mann schenken mir so viel Kraft und innere Ruhe, dass ich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann. Denn keine Straße ist zu lang mit so einem Partner an der Seite.

Seite an Seite durchs Leben

Der Traum ist greifbar nah

In ein paar Wochen wollen wir unsere Kreuzfahrt nachholen. Mein größter Traum ist es, dass wir auch noch unsere goldene Hochzeit feiern können. Ich kann behaupten, dass die MS uns noch stärker zusammengeschweißt hat und unsere Ehe nicht auseinanderbringen wird. Daher führen wir quasi eine Ehe zu dritt: mein Mann, die MS und ich.

Ich wünsche jedem von Euch, dass er einen Partner oder auch einen guten Freund an seiner Seite hat, der in allen Lebenslagen zu ihm hält.

Bis bald

Eure Nicole

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