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Alex, MS-Betroffener, 43 Jahre

Erfahrungsberichte

„Ich fühle was, was Du nicht siehst und das heißt MS“

7 Minuten

Veröffentlicht am 07.09.2021  von  Alex

Für die meisten Nicht-Betroffenen sind viele MS-bedingte Beeinträchtigungen nicht direkt erkennbar. Ein Rollstuhl oder ein in Gips eingepackter, gebrochener Arm lassen deutlich auf eine Beeinträchtigung schließen. Dann sind hier viele Menschen mit Sicherheit hilfsbereit und empathisch. Schwieriger ist es sich meiner Meinung nach bei unsichtbaren Symptomen.

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich kurz darüber berichtet, ob, wann und wie man sich mit MS „outen“ kann und wie Außenstehenden MS auf einfache Art und Weise verständlich erklärt werden kann. Hier hatte ich auch kurz das Thema angerissen, dass es leider immer noch viele Fehlinterpretationen der Krankheit MS gibt. Die Wahrnehmung ist oftmals nur auf die Spitze des Eisbergs gerichtet, aber was unterhalb der Wasseroberfläche ist, ist nicht sichtbar. Man sieht mir ja auch nicht direkt an, dass ich MS habe. Viele Menschen verlassen sich hierbei zu sehr auf ihre oberflächliche Wahrnehmung der offensichtlichen Aspekte: „Dem geht‘s gut – der lacht“, „Der ist fit, der geht ja schließlich joggen“ oder „Der sieht ja aus wie das blühende Leben.“ Aber mal ernsthaft: selbst lachende und fröhlich wirkende Menschen können depressiv sein. Selbst Joggende können tatsächlich nicht fit sein und auch nach außen hin gesund aussehende, mit frischem Teint ausgestattete Menschen können in Wahrheit extrem belastet sein. Nur nach außen hin zeigen sie es vielleicht nicht immer deutlich. Muss ich das denn auch? Muss ich jämmerlich, betrübt mit traurigem Gesicht umherlaufen, um anderen offensichtlich zu zeigen, dass ich eingeschränkt bin? Reicht es nicht, wenn ich den Kampf damit schon innerlich austrage?

Unsichtbar und trotzdem da

Wir haben Symptome, wie z. B. die Fatigue, die manchmal sehr belastend im Alltag sein kann, von außen ist sie aber nicht erkennbar. Leider habe ich in diesem Kontext oft die Erfahrung machen müssen, dass man schnell als Simulant:in abgetan wird, sowohl beruflich, als auch privat – vielleicht auch aus Unwissenheit über die Erkrankung MS. Mich ärgert und frustriert sowas dennoch. Und es nervt mich irgendwie schon etwas, wenn ich mal wieder den „Erklärbär“ spielen muss. Ich möchte nichts verallgemeinern, aber es liegt auf der Hand, dass nach außen hin stärker erkennbar Betroffene eine andere Behandlung erfahren, als jemand, bei dem es nicht so einfach zu deuten ist, dem:der man nicht ansieht, dass eine vielleicht sogar ähnlich schwere Beeinträchtigung vorliegt. Ich möchte mich hier nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich kann mir vorstellen, dass sich dadurch auch wiederum psychische Probleme entwickeln können. Und dieser negative Stress kann sich auch auf die MS negativ auswirken.

Alex in der Natur, er trägt einen schwarzen Hoodie

Verständnis füreinander entwickeln

Wichtig ist für mich, dass wenn ich mich erkläre – ich gesehen und anerkannt werde. Sich ständig zu erklären nervt, lässt sich aber nicht ändern. So ist zumindest die Chance größer, Verständnis zu wecken.

Ich verlange von niemandem, das zu fühlen, was ich fühle und niemand soll hier dafür verteufelt werden, wenn er nicht sieht, wann oder wie ich beeinträchtigt bin. Das möchte ich klarstellen. Das Einzige, was ich mir wünsche ist, dass die Leute dem, was ich sage, auch Glauben schenken und daraufhin etwas mehr Sensibilität an den Tag legen. Aber will ich wirklich eine Sonderbehandlung? Hmm, vielleicht auch nicht. Ach, was will ich eigentlich? Ah, jetzt weiß ich es: Ich will einfach normal leben können mit oder ohne MS. Etwas Freundlichkeit und Verständnis verspüren, wie jede:r andere auch.

Denn ich fühle etwas, was du nicht siehst und das heißt MS.

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