Alex, MS-Betroffener, 43 Jahre
6 Minuten
Veröffentlicht am 09.06.2021 von Alex
Soll ich mich als Mensch mit MS „outen“? Und wenn ja, wie erkläre ich, was die Diagnose für mich bedeutet? Wie kann ich anderen, die bisher keine Erfahrungen mit Multipler Sklerose gemacht haben, meine Erkrankung näher bringen?
Seit meiner Diagnose im Jahr 2008 habe ich das Thema „MS“ sowohl in meinem beruflichen Umfeld, als auch im privaten Rahmen noch und nöcher durchgekaut. „Du hast MS? Ist das Muskelschwund? Dafür hast Du aber noch dicke Arme“ oder „Du Armer – man sieht Dir gar nicht an, dass Du Glasknochen hast“ oder „Oh mein Gott, das tut mir unendlich leid, dass Du im Rollstuhl landen wirst.“ Retrospektiv betrachtet gab es die kuriosesten Annahmen zur Multiplen Sklerose.
Wissen über die Erkrankung und Verständnis für das Leben mit MS sind heute sicher in der Gesellschaft etablierter als noch vor zwanzig Jahren, dennoch ist Multiple Sklerose im Wesentlichen immer noch für viele unbekannt. Es gibt leider immer noch einige Missverständnisse. Für viele von uns MS-Betroffenen stellt sich die Frage, ob wir uns „outen“ können und wollen. Das sollte jeder für sich entscheiden. Niemand muss mit seiner Erkrankung hausieren gehen, nicht einmal bei einer Bewerbung: Man kann es sagen, muss es aber nicht, sofern sich dies nicht auf die Arbeit selbst auswirkt.
Natürlich muss ich nicht jedem Hinz und Kunz sofort auf die Nase binden, dass ich MS habe. Dennoch habe ich mich dazu entschieden, offen zu sein, wenn auch mit Bedacht. Man sollte hierbei die Vor- und Nachteile in Relation stellen. Offenheit führt oftmals zu weiteren Fragen, was durchaus auch anstrengend sein kann. Zu einem „Outing” vor einer großen Gruppe rate ich persönlich ab: lieber zuerst mit Einzelpersonen oder in einem kleineren Kreis darüber sprechen. Ich sehe keinen Nachteil darin, die Menschen in meinem Umfeld einzubeziehen, sondern im Gegenteil eher Vorteile. Die Leute wissen dann einfach besser, was los ist und worin mich die MS vielleicht sogar etwas einschränken kann. Dennoch kann Offenheit über die Erkrankung möglicherweise zu Irritationen und Schubladendenken führen.
Gehen wir davon aus, dass ich mich dazu entschieden habe, von mir und meiner MS zu berichten. Wie erkläre ich es am besten? Ich mache das ungefähr so:
MS ist eine Autoimmun-Erkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft. Eine Erkrankung, bei der sich der Körper selbst angreift. Ich ziehe dabei gerne den Vergleich zu einem isolierten, ummantelten Elektrokabel, das das Gehirn mit weiteren Bereichen im Körper verbindet und den Strom (Reiz) zwischen ihnen weiterleitet. Bei MS wird die Isolierung, also die Ummantelung des Kabels (im menschlichen Körper die sogenannte Myelinschicht) von bestimmten Zellen des eigenen Immunsystems angegriffen. Denn durch die Multiple Sklerose können sie nicht mehr zwischen gesunden und krankhaften Zellen unterscheiden. Deswegen werden auch gesunde, körpereigene Zellen, in unserem Falle die Isolierung des Kabels, beziehungsweise der Nervenfaser, beschädigt. So können die elektrischen Signale oder Reize nicht mehr richtig weitergeleitet werden. Das bedeutet konkret, dass es hier zu Ausfällen oder Einschränkungen kommen kann. Bei Menschen mit MS äußert sich das zum Beispiel durch Taubheitsgefühle, Lähmungen bis hin zu Sehstörungen. Prinzipiell kann alles betroffen sein, was vom Nervensystem (mithilfe der Elektrokabel) versorgt und gesteuert oder angesteuert wird.
Jeder darf hier frei entscheiden, ob er sich „outet“ und vor allem wann oder wie. Es bleibt jedem selbst überlassen. Hilfreich dafür finde ich, in einen Dialog mit anderen MS-Betroffenen zu treten und gegenseitig voneinander und den Erfahrungen der anderen zu lernen.
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