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Nicole, MS-Betroffene, 45 Jahre

Erfahrungsberichte

Nach dem Dunkel kommt das Helle

15 Minuten

Veröffentlicht am 27.02.2018  von  Nicole

Alles begann im Jahr 1998. Ich hatte auf einmal auf dem rechten Auge einen Schleier und höllische Schmerzen. Ich suchte einen Augenarzt auf, der mich untersuchte und anschließend zur Sicherheit in eine Klinik einwies. Ich war total fertig und fragte mich: Was kann das sein?

Das Kind ohne Namen

Es wurden viele Untersuchungen gemacht, unter anderem ein CT und ein MRT. Mir wurde auch Nervenwasser entnommen, was ich als sehr schmerzhaft empfand. Die Ärzte gaben mir zwei Wochen lang hochdosiert Entzündungshemmer. Dies zeigte Wirkung und mir ging es wieder besser. Ein angehender Arzt sagte zu mir, er vermute eine MS. Da er aber nicht mein behandelnder Arzt war, schenkte ich seiner Aussage keine Bedeutung. Ich wurde ohne eine gesicherte Diagnose aus der Klinik entlassen. Die Ärzte sagten, es sei eine Virusinfektion, die man nur einmal im Leben bekomme und ich solle mir keine Sorgen machen. Die Entzündungshemmer wurden über Monate ausgeschlichen, das zehrte sehr an mir und meinem Körper.

Alles nur Einbildung oder schwache Nerven?

In den folgenden Jahren hatte ich immer wieder Empfindungsstörungen in den Händen und Beinen: ein Kribbeln wie Ameisen auf der Haut. Ich nahm die Symptome aber nicht allzu ernst. Erst als noch Taubheitsgefühle im Gesicht und am Bauch dazu kamen, suchte ich meinen Hausarzt auf. Er meinte, es seien nur die Nerven und er würde mir ein Beruhigungsmittel verschreiben, dann würde es mir besser gehen. Ich wollte die Medikamente nicht nehmen: mit 30 Jahren Beruhigungsmittel – nein, das ist was für alte Menschen, dachte ich. So ging es auch eine Zeit lang gut und ich gewöhnte mich an die Symptome, die immer wieder mal auftraten.

Die Welt ging unter

Ich hatte eine starke Grippe, fühlte mich total kraftlos und schlapp. Als dann plötzlich starke Schmerzen am rechten Auge auftraten, brach in mir Angst und Panik aus. Ich suchte sofort einen Augenarzt auf, der mich untersuchte und mir eine Überweisung zu einem Neurologen gab – mit dem Befund „BEKANNTE MS SEIT 1998“.

Ich traute meinen Augen nicht und brach in Tränen aus. Wir hatten das Jahr 2008 und kein Arzt hat die Diagnose MS gestellt oder es zumindest erwähnt. Für mich ging in dem Moment die Welt unter.

Das Kind bekam einen Namen

Ich suchte sofort einen Neurologen auf und dachte, es handelt sich bestimmt um eine Verwechslung. Der Neurologe sollte mich jetzt genau untersuchen, damit ich Klarheit bekomme. Ich wurde ins MRT geschickt und es wurden noch weitere neurologische Untersuchungen gemacht. Ich war total nervös, während ich auf das Ergebnis wartete. Der Neurologe bestätigte mir eindeutig, dass ich an MS leide. Ich war völlig fertig und weinte. Ich sah den Rollstuhl vor mir und dachte, das ist mein Ende. Jetzt hat mein Mann eine unheilbar kranke Frau. Das kann und will ich ihm nicht zumuten. Der Neurologe beruhigte mich und erklärte mir, was MS überhaupt ist und dass man daran nicht stirbt.

MS bedeutet nicht, im Rollstuhl zu landen. Die Medizin ist heute sehr weit und es gibt gute Medikamente, die die Krankheit hinauszögern können.

Dunkle Wolken zogen auf

Als ich zu Hause war, fiel ich meinem Mann in die Arme. Ich erzählte ihm von meiner Diagnose und meinte, ich würde es verstehen, wenn er sich von mir trennen wolle, ich bin schließlich unheilbar krank. Doch mein Mann ist unerschütterlich. Er sagte: „Um Himmelswillen nein, zusammen schaffen wir das, glaube mir.” Ich entschied mich dann für eine Therapie. Mein Mann unterstützt mich dabei und sorgt dafür, dass ich alle Medikamente korrekt einnehme. Er unterstützte mich wirklich wahnsinnig toll, was mir Kraft gibt. Ich informierte mich genau über die Krankheit und gründete sogar eine MS-Gruppe, die bis heute besteht.

Der Anfang vom Ende

Ich hatte die Krankheit angenommen und mir ging es gut. Ich ging zu den Kontrollterminen (Blutabnahme) und nahm meine Medikamente – alles war gut. Doch nach vier Wochen, hatte ich starke Nebenwirkungen und musste es sofort absetzen und 14 Tage in der Klinik bleiben. Mir ging es fürchterlich. Ich zweifelte daran, ob ich das alles schaffe. Ich war völlig kraftlos. Mein Mann baute mich ständig auf und war für mich da, was mir Mut und Hoffnung gab.

Liebe ist die beste Medizin.

Was jetzt? War es das?

Als ich mich nach Monaten wieder erholt hatte und mich mein Neurologe auf ein anderes Medikament eingestellt hatte, dachte ich, das geht jetzt alles gut. Doch auch dieses Medikament vertrug ich nicht. Ich verzweifelte: „Das kann doch nicht wahr sein, warum immer ich?” Jetzt gab es erstmal kein Medikament mehr für mich. Jedoch beruhigte mich mein Arzt und meinte, in Kürze käme ein neues Medikament auf den Markt, das für mich infrage kommt, ich solle Geduld haben. Es vergingen einige Monate und mir ging es ganz gut. Die Unterstützung meiner Familie und Freunde half mir in der Zeit wahnsinnig. Ich schöpfte wieder Hoffnung und hatte Spaß am Leben.

Ein Geschenk Gottes

Nach sechs Monaten bekam ich das neue Medikament und wurde engmaschig vom Neurologen kontrolliert. Mir ging es total gut und ich hatte mein Leben wieder. In den nächsten sieben Jahren dachte ich echt, vielleicht bin ich von der MS geheilt, da ich keinerlei Schübe hatte. Dieses Medikament war ein Gottesgeschenk für mich.

Die Ruhe vor dem Sturm

Es stand unsere Silberhochzeit an und wir buchten eine Schiffsreise mit der AIDA. Wir freuten uns wahnsinnig auf die Reise und alles war bis ins letzte Detail geplant. Zwei Wochen vor Reiseantritt spürte ich ein Jucken auf dem linken Auge und auf dem Lid bildeten sich Pickel. Mir erschien das seltsam und ich suchte einen Arzt auf. Der schickte mich sofort in die Klinik. Ich dachte nur an unsere Reise – bitte nicht schon wieder! Mir wurde sofort Nervenwasser abgenommen und untersucht. Danach teilte mir der Arzt mit, dass ich erneut 14 Tage in der Klinik bleiben müsse. Im schlimmsten Fall könne dieser Schub zur Erblindung führen. Ich weinte nur noch und erlitt einen Nervenzusammenbruch, warum immer wieder ich??? Mein Mann musste unsere Reise stonieren, ich war völlig fertig. Er meinte nur: „Jetzt bist Du und Deine Gesundheit wichtig, die Reise holen wir nach.” In den folgenden zwei Wochen bekam ich ohne Ende Infusionen, drei Flaschen täglich, und Medikamente in hohen Dosen. Es wurden zahlreiche Untersuchungen gemacht – von Augenärzten, Hautärzten und Neurologen. Feststand: Auch dieses MS-Medikament, war nicht mehr das richtige für mich. Nach sechs Monaten ohne ein MS-Medikament erholte ich mich langsam.

Ein Licht am Ende des Tunnels

Ich fühlte mich wieder voller Kraft und unternahm viel. An einem Wochenende ging ich mit meinem Mann einkaufen, alles war gut. Zu Hause angekommen, konnte ich auf einmal nicht mehr die Treppe hochlaufen, ich bekam Panik und Angst. Was ist das? Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Vielleicht habe ich mir zu viel zugemutet und brauche nur etwas Ruhe. Morgen sieht die Welt bestimmt besser aus. Ich legte mich hin und hoffte, das es hilft. Sonntags ging es mir wieder besser und ich war beruhigt. Aber am nächsten Tag war meine rechte Seite taub: der Arm, die Hand und das Bein. Ich ließ mich zum Arzt fahren und der stellte einen Schub fest. Es war passiert, dachte ich, jetzt muss ich in den Rollstuhl. Das will ich nicht, ich hab noch so viel vor. Der Arzt versicherte mir: „Das bekommen wir wieder hin. Gönnen Sie sich Ruhe, die letzten Monate waren zu viel für Sie und Ihren Körper. Das hat den Schub ausgelöst.”

Nicole wirbelt herum

Nicole und ihr Licht am Ende des Tunnels

In den folgenden drei Wochen musste ich täglich zur Infusion zum Arzt und bekam Krankengymnastik. Es war eine schwere Zeit für mich und meinen Mann. Ich konnte mich nicht alleine waschen, anziehen, frisieren, kochen oder mit dem Hund rausgehen, da ich kurzzeitig am Stock ging und meine linke Hand auch noch taub wurde. So ausgeliefert und auf Hilfe anderer angewiesen zu sein, war furchtbar für mich. Ich hatte jeden Mut verloren. Auch begann ich in dieser Zeit eine neue Therapie gegen die MS, die ich bisher gut vertrage.

Es war eine harte Zeit, aber aufgeben ist keine Lösung, es geht immer weiter!

Ende gut, alles gut

In den drei Monaten brauchte ich unheimlich viel Geduld. Ich machte meine Krankengymnastik und Ergotherapie in Form von Steckspielen, Lego und Kreise malen, da ich ja nicht mehr schreiben konnte. Heute kann ich wieder normal laufen, greifen und schreiben. Mein Mann hat mich immer wieder aufgebaut. Das gab mir Kraft und Hoffnung.

Das Leben ist schön und wir sollten uns alle auf die positiven Dinge konzentrieren, die unser Leben lebenswert machen.

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

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