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Ursachen

Können genetische Marker den Verlauf einer MS vorhersagen?

8 Minuten

Veröffentlicht am 26.06.2018  von  Onmeda

Die progrediente MS ist eine besonders schwere Form der multiplen Sklerose. Forscher haben zwei Eiweiße samt genetischer Marker ausgemacht, mit denen sich Aussagen über den Verlauf der Nervenkrankheit treffen lassen. Auch eine Behandlung scheint dadurch besser möglich.

Frau mit Fernglas

Die multiple Sklerose (MS) kann unterschiedlich schwer verlaufen. Bei der schubförmigen oder schubförmig remittierenden MS ist die Nervenerkrankung nur zeitweise aktiv, bei anderen Erkrankungsformen geht sie in einen fortschreitenden Verlauf über (sekundär progrediente Verlaufsform) oder beginnt von Anfang an auf diese Weise (primär progrediente Verlaufsform). Doch woher wissen Ärzte, wie schwer die MS bei einem Patienten verlaufen wird?

Bislang können sie diese Frage nicht beantworten. Jetzt spürte ein Forscherteam der Oregon Health & Science University (OHSU) in Portland (USA) und der Yale University in New Haven (USA) zwei bestimmte Eiweiße, sogenannte Zytokine, sowie die dazu gehörenden genetischen Marker auf. Diese lassen womöglich Vorhersagen über den Verlauf der MS zu. "Erstmals haben wir Gene und Zytokine identifiziert, die scheinbar die Entwicklung der progressiven MS beeinflussen", sagt der Neurologe und Co-Autor der Studie Arthur Vandenbark von der OHSU.

Diese Erkenntnisse könnten ermöglichen, eine multiplen Sklerose in Zukunft präziser und gezielter zu behandeln oder einem fortschreitenden Verlauf der Krankheit vorzubeugen, hoffen die Forscher. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im renommierten Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

Sekundär progrediente MS trifft Männer häufiger als Frauen

Die Forscher analysierten anhand von Plasmaproben das Erbgut von 117 Patienten mit MS. Dabei entdeckten sie zwei spezielle Zytokine. Diese Eiweiße spielen bei der Signalübermittlung zwischen den Zellen eine wichtige Rolle. Das eine Zytokin wird macrophage migration inhibitory factor genannt, abgekürzt MIF, das andere D-dopachrome tautomerase (D-DT). Beide Eiweiße sind an der primär progredienten Verlaufsform der MS beteiligt, indem sie Entzündungsprozesse innerhalb des zentralen Nervensystems befeuern.

Darüber hinaus wiesen die Forscher zwei genetische Marker nach, welche die Produktion von MIF und D-DT ankurbeln. Beide sind häufiger bei Patienten mit primär oder sekundär progredienter multipler Sklerose zu finden – vor allem bei Männern. Zumindest die sekundär progrediente Form der MS trifft Männer deutlich häufiger als Frauen. "Erstmals haben wir einen winzigen Einblick bekommen, warum Männer viel häufiger als Frauen an der fortschreitenden MS erkranken. Und das, obwohl die Nervenkrankheit Frauen insgesamt rund dreimal häufiger betrifft", erklärt Dennis Bourdette, Co-Autor der Studie.

Hoffnung auf Gentests

Auf Basis dieser Ergebnisse ließe sich womöglich ein einfacher Gentest entwickeln, hoffen die Forscher. Er soll jene Patienten identifizieren, die ein hohes Risiko für die schwere Verlaufsform der multiplen Sklerose haben. Zudem tüfteln Forscher derzeit im Labor an einem Medikament, welches die progrediente MS direkt an ihrer Wurzel packt. Diese Arznei könnte die Aktivität gleich beider Zytokine unterdrücken.

"Wenn die Behandlung einsetzt, bevor die Erkrankung zu weit fortgeschritten ist, könnten wir sie aufhalten oder sogar zum Stillstand bringen", glaubt der Neurologe Vandenbark. "Wir haben jetzt auch ein geeignetes Ziel, um zu verhindern, dass die MS von der schubförmigen Variante in die progrediente Form umschlägt. Dies ist nämlich ein Stadium, in dem die Krankheit deutlich schwerwiegender ist."

Die Ergebnisse könnten vielleicht den Weg zu einer sogenannten "Präzisionsmedizin" ebnen. Mit dieser lasse sich die fortschreitende MS gezielt behandeln und vielleicht sogar abwenden, hoffen die Forscher. Derzeit sind viele Therapien für die schubförmige MS verfügbar, aber nur sehr wenige für die progrediente Verlaufsform.

Unterschiedliche Verlaufsformen der MS

Multiple Sklerose ist eine chronische Nervenerkrankung, die weltweit rund 2,3 Millionen Menschen betrifft. Bei der schubförmig-remittierenden MS – mit etwa 85 Prozent die häufigste Form – bilden sich die Symptome nach einiger Zeit wieder zurück. Es folgen beschwerdefreie Intervalle, die Monate oder sogar Jahre andauern können. Dieser schubförmige Verlauf kann aber in die sekundär-progrediente Form übergehen – dann verschlechtert sich die Krankheit schleichend weiter und die Beschwerden nehmen immer mehr zu.

Einige Patienten haben überhaupt keine Krankheitsschübe, sondern die MS verläuft von Beginn an fortschreitend und verschlimmert sich kontinuierlich. Primär-progrediente Form nennen Neurologen diese Verlaufsform der multiplen Sklerose. Sie gilt als schwerste Ausprägung der Nervenerkrankung.

Quellen:

Benedek, G. et al.: MIF and D-DT are potential disease severity modifiers in male MS subjects. PNAS (Oktober 2017)

Online-Informationen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG): www.dmsg.de (Seitenabruf: 18.5.2018)

*Quelle: www.onmeda.de

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