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Steffi H., MS-Betroffene, 50 Jahre

Erfahrungsberichte

Schwerbehindertenausweis beantragen: Meine Erfahrung mit Behörden

6 Minuten

Veröffentlicht am 19.10.2017  von  Steffi H.

Wie fühlt es sich an, mit Behörden zu tun zu haben, wenn man selbst sein Leben lang Teil von Behörden ist? Lest selbst, wie es ist, plötzlich auf der anderen Seite zu stehen.

Der Beginn

Ich arbeite mittlerweile seit fast 30 Jahren im öffentlichen Dienst Deutschlands. Die ganze Zeit über war ich bei verschiedenen Behörden tätig, aber immer im sozialen Bereich. Vor mehr als sechs Jahren wurde ich damit konfrontiert, dass Gesundheit kein lebenslanges Recht des Menschen ist. Vielmehr kann von einem Tag auf den anderen eine Diagnose im Raum stehen, die einen Menschen lebenslang begleiten kann und wird.

Ich habe MS!

Multiple Sklerose

MistStück

Miss Sabotage

MonSter

… oder wie auch immer man diese zwei Buchstaben deuten oder interpretieren möchte.

Schwierig: Den Grad der Behinderung hochstufen lassen

Die letzten zehn Jahre habe ich mich beruflich um die Belange behinderter Menschen gekümmert. All das veranlasste mich zu der Annahme, dass so etwas „Profanes“ wie die Beantragung der Feststellung eines GdB (Grad der Behinderung) bei der zuständigen (Sozial-)Behörde doch quasi mit links zu bewältigen sei.

Denkste!

Bis zu dem Moment, als ich ein Schreiben in den Händen hielt, in welchem mir der zuständige Sachbearbeiter sinngemäß mitteilte, dass das bloße Zusammentreffen zweier Diagnosen – MS und (die damit zusammenhängenden) Depressionen – kein Anlass sei, den mir bis dahin zuerkannten GdB von 40 auf 50 zu erhöhen.

Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert, bekommt einen Schwerbehindertenausweis UND fünf Urlaubstage mehr im Jahr – wenn man denn, so wie ich, noch berufstätig sein kann (wenn auch „nur noch“ halbtags).

Sprachlosigkeit

Für einen Moment war ich wirklich sprach- und fassungslos. Wer mich näher kennt, der weiß, dass dies bei mir ein äußerst seltener Zustand ist. Dass es gesetzliche Vorgaben und Regularien gibt, an denen nichts zu rütteln ist, war und ist mir hinlänglich bekannt. Was mich an dem Schreiben so aufbrachte, war nicht das WAS, sondern das WIE. Für mich fühlte sich so viel nüchternes „Beamtendeutsch“ an, als ob mich jemand noch ein Stückchen tiefer in den Sumpf drücken würde, in dem ich mich eh schon befand.

Kampfmodus aktiviert

Nach der ersten Phase meiner Sprachlosigkeit gewann aber Gott sei Dank mein bis heute ungebrochener sozialer Gerechtigkeitssinn die Oberhand – diesmal in eigener Sache!

Aufgeben ist keine Option.

Auch ich musste in meinem Berufsleben schon oft Entscheidungen bekanntgeben, die bei dem Antragsteller keine Begeisterung hervorriefen. Ich wage aber zu behaupten, dass ich weder im direkten Gespräch noch in meinen Schreiben jemals eine derartige Kälte verströmt habe. Und darauf bin ich stolz!!!

Nachdem mein Kampfgeist also wieder geweckt war, machte ich einen weiteren Versuch, das zu erreichen, was ich erreichen wollte: GdB 50.

Niemals aufgeben!

Es waren allerdings noch zwei weitere Anläufe und ein zusätzliches Handicap meinerseits nötig, bis ich nach vier Jahren endlich mein Ziel erreicht habe. Mir fällt da gerade mein Lieblingslebensmotto ein: „Es gibt keine Zufälle, es fällt einem zu, was fällig ist. Alles zu seiner Zeit.“

Wand mit Lebensmotto

Wie Ihr seht: Manchmal braucht man Kampfgeist (und die Kraft und die Nerven zum Kämpfen), manchmal braucht man einfach nur Geduld und das Vertrauen darauf, dass alles „zu seiner Zeit“ kommen wird.

Manchmal braucht man Beides.

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