Manche Märchen beginnen mit dem Satz: „In alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat…“ Ich finde, das ist ein sehr schöner Gedanke.
Gesundheit und Gesundsein hatten bei mir in der Vergangenheit tatsächlich immer einen sehr hohen Stellenwert – und auch heute noch. Meine frühere Kollegin und ich haben uns jedes Jahr zu Weihnachten und Silvester fast formelhaft zugesprochen: „Wir wünschen uns nichts, außer gesund zu bleiben.“
Man könnte sagen, der Wunsch ging über Jahre in Erfüllung. Jetzt ist sie seit ein paar Jahren in Rente, der Kontakt ist fast ganz abgebrochen und ich bin inzwischen chronisch an MS erkrankt. Ich will jetzt nicht Gesundheit abergläubisch an unserer Wunschformel festmachen. Aber in diesem Blog geht es ja vordergründig um Träume und ich möchte sagen, aus meinem unerfüllten Wunsch ist zumindest ein Traum geworden.
Die Diagnose MS war für mich kein einschneidender Schock, weil sie überraschend in mein Leben eingebrochen wäre, aber auch nicht befreiend. Das „Kind“ hatte nur endlich einen Namen. Es erklärte, warum ich immer schlechter lief. Und damit gab es einen Ansatzpunkt, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und soweit es bei PPMS möglich ist, medizinisch zu handeln und behandelt zu werden. Doch ich empfand es nicht nur als positiv zu wissen, welche Krankheit ich habe.
Mit meinem Schicksal habe ich auf fast kindliche Art gehadert. Warum bin ich nicht gesund, obwohl man fast keine langweiligere und damit in meinen Augen gesündere Lebensführung als ich haben kann: ohne Alkohol, ohne Zigaretten, viel Schlaf und keinen negativen Einflüsse?
Auf diese Frage habe ich lange keine Antwort gefunden. Erst vor nicht allzu langer Zeit habe ich den Satz einer an Krebs erkrankten Autorin gelesen: „Im Leben gibt es keine Garantie auf Gesundheit”. Der Satz wirkt eigentlich ganz selbstverständlich und banal. Natürlich hat man keinen Anspruch darauf, ein Leben lang gesund zu sein. Aber als ich diesen Satz las, musste ich für mich feststellen, dass dies mein Anspruch war, den ich ans Leben hatte: immer gesund zu bleiben.
Mir wurde bewusst, dass ich Gesundheit als eine Art Leistung ansah. Wenn ich nicht gesund bleibe, dann ist mein Lebensziel nicht erreicht. Ich musste erkennen, dass man Gesundheit nicht kontrollieren kann. Dass Gesundheit nicht nur durch mein Verhalten gewährleistet ist.
Erst als ich erkannte, dass Gesundheit nicht lenkbar ist, konnte ich meine Erkrankung besser annehmen.
Ich kenne keinen Königsweg eine Erkrankung anzunehmen. Diesen Weg muss wohl jeder für sich selbst finden. Bei mir war es ein Satz, den ich zufällig las. In meinen Augen hat er mir geholfen, mein Schicksal anzunehmen. Aber ich möchte es trotzdem nur bis zu einem gewissen Punkt hinnehmen. Ich versuche aber weiterhin, neuen Verschlechterungen durch Ausweichen und Kompromisse entgegenzuwirken.
Und obwohl ich weiß, dass ich in Zukunft nicht mehr „normal“ werde laufen können, so bleibt mir doch der Traum, wieder „besser“ zu laufen. Was für mich auch schon eine große Erfüllung wäre.
Simone
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