Heike, MS-Betroffene, 56 Jahre
Früher habe ich versucht, so oft wie möglich zu trainieren, und mir damit sehr viel Stress gemacht. Ich bin durch das Training zwar wieder aus dem Rollstuhl herausgekommen, doch trotzdem hat sich an der Länge meines täglichen Spaziergangs nichts geändert. Sie wurde und wurde einfach nicht länger.
Im Fitnessstudio hat mir ein Bekannter, der auch an MS leidet und im Studio sehr intensiv trainiert, von einem Workshop über Sport und MS erzählt. Es handelte sich dabei um ein Angebot von der DMSG (Deutsche Gesellschaft für Multiple Sklerose). Mein Bekannter besuchte diesen Workshop damals und fand ihn sehr gut.
Ich nahm es zur Kenntnis, dass die DMSG solche Workshops anbietet. Aber noch ein Vorhaben mehr schien mir ebenso wie die Entfernung von 100 Kilometern zum Trainingsort eindeutig zu viel. Ich erzählte meinem Freund dann von dem Training und er beschloss, mich zu begleiten.
Zwar musste ich erst einmal der DMSG beitreten und mir dann das ärztliche Attest zur Teilnahme ausstellen lassen – aber das war kein Problem. Also meldete ich mich an: Nun gab es kein Zurück mehr. Ich konnte drei Wochenenden mit Sport verbringen.
Bei der Ankunft in der Florenberghalle in Künzell-Pilgerzell stellte ich dann fest, dass die anderen Teilnehmer(innen) teilweise recht gut laufen konnten und es waren noch vier Studentinnen der Physiotherapie anwesend. Sie, wie auch die Leiterin, vermittelten eine lockere Atmosphäre und nun konnte alles starten.
Zunächst galt es, im Stehen und später im Laufen einen Ball zu fangen und sich dabei die Namen der Teilnehmer zu merken. Das war die erste Übung vom Koordinationstraining und ehrlich gesagt gleichzeitig ein Kognitionstraining.
Koordinationstraining war etwas, dass ich in der Rehabilitation nie konnte und deshalb später auch nicht wieder versuchte. Während der anschließenden Therapiepause lernte ich, dass gerade Koordinationstraining für MS-Patienten besonders wichtig sei. Die Nerven werden aktiviert und vor Abbau geschützt. Nach neueren Forschungen erfolgt dies durch Ausschüttung der neurotrophen Faktoren. Sie sorgen für die Bildung funktionsfähiger Nervenzellen und auch für deren Überleben. Durch das Ausführen möglichst schneller Bewegungen mit dem eigenen Körpergewicht werden diese neurotrophen Stoffe ausgeschüttet. Danach sind ausreichende Pausen wichtig.
Wir lernten beim varianzbasierten Gangtraining, in allen möglichen Varianten zu gehen, nur nicht normal. Wir torkelten wie Betrunkene, liefen wie Tiere und versuchten zu rennen. Es waren ständig haltende Hände da, ohne diese hätte ich mich viele Übungen gar nicht getraut.
Dabei stellte ich fest, dass ich in der Vergangenheit nicht optimal trainiert hatte. So hatte ich regelmäßig die immer gleichen Übungen ausgeführt und auf eine Leistungssteigerung gehofft, wie etwa beim Schwimmen oder Laufen. Aber nun weiß ich, dass Reize, an die sich der Körper gewöhnt hat und die nicht das eigene Körpergewicht tragen, weniger effektiv sind. Wichtig ist auch Krafttraining. Hierbei kommt es vielmehr auf die Intensität der Bewegung als auf die Dauer an. Auch dies war mir neu. Außerdem sollen Muskelgruppen am ganzen Körper gebildet werden, weil zum Beispiel Bauchmuskeln auch für sicheres Gehen notwendig sind. Bauchmuskeltraining hatte ich auch eher ausgeblendet…
Eine Teilnehmerin erklärte, sie habe sich daheim angewöhnt, in jedem Zimmer eine andere Gangart zu üben. Den Tipp nahm ich mir zu Herzen: Ich selbst tripple jetzt beim Einkaufen so schnell wie möglich, wenn ich mich unbeobachtet fühle. Dabei schiebe ich den Wagen wie einen Rollator. Und ich habe inzwischen mehrmals gehört, dass sich mein Gangbild verbessert habe!
Auf meinem Bild seht Ihr, wie ich eine weitere Übungen in meinen Alltag eingebaut habe. Ziel ist es, beim Gehen zwischen den roten Linien zu bleiben. Man muss also viel ausgleichen und darauf achten einen stabilen Gang zu haben, damit die Linien nicht berührt oder übertreten werden.
Mein Fazit aus dem Wochenendkurs ist: Wichtig ist nicht nur, dass überhaupt trainiert wird, sondern dass nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen optimal trainiert wird. Als MS-ler fällt es mir oft schwer, den Alltag zu bewältigen. Da sollten weniger effektive Anstrengungen beim Sport vermieden werden. Die „Sportorientierten Kompaktschulungen für Menschen mit Multipler Sklerose" (SpoKS) kann ich gut weiterempfehlen. Sie haben mir neue Bewegungen gezeigt, die ich nun regelmäßig in mein Training einzubauen versuche, um stetig Fortschritte zu erzielen oder zumindest eine andauernde Stagnation zu vermeiden.
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