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Erfahrungsberichte

Mit MS eine neue Schallmauer durchbrechen

9 Minuten

Veröffentlicht am 25.05.2023 

Nein, ich habe mir nicht den Traum vom Fliegen im Jet ermöglicht. Ich durchbreche eine Altersschallmauer, die mich nun schon deutlich mehr in die Seniorenrubrik rutschen lässt. Mit MS älter werden – das geht, wenn man manches etwas anders sieht oder lockerer nimmt.

Ute mit ihren Freundinnen

Fast die Hälfte meines Lebens lebe ich nun mit meiner MS. Sie gehört zu mir wie mein Name an der Tür (Ihr kennt vielleicht den Song von Marianne Rosenberg). Gott sei Dank gilt das ebenso für meinen Mann, der mit mir stets die Ups und Downs meiner zusätzlichen Lebensherausforderung getragen hat.

Das Leben und jeder Tag sind zu wichtig, um einen solchen Geburtstag nicht zu feiern. Vor dreißig Jahren hätte ich gesagt, wenn es in dreißig Jahren noch einigermaßen geht, ist es ok. Und jetzt geht es noch und ich fühle mich trotz meiner Einschränkungen gut. Auch die neu entdeckten Mundfalten sind ok, denn das Gefühl in Herz und Kopf ist eigentlich unverändert.

Feste gilt es zu feiern – auch 10 Jahre nach dem MS-Coming-out

Normalerweise hätte ich es jetzt wieder richtig „krachen“ lassen, wie an unserem letzten runden Geburtstag. Auch wenn ich da mein Coming Out bezüglich meiner MS hatte, konnte ich damals noch tanzen, das geht heute nicht mehr.

Daher wird es keine Party mit Tanzfläche und auch keine Party mit vielen Leuten werden, mit denen man herumsteht. Ich habe mich entschieden, meine besten Freundinnen in ein altes Haus nach Sizilien einzuladen und dort ein paar Tage gemeinsam zu verbringen.
Ich bin sicher, alle werden sich wundervoll verstehen. Jede von ihnen hat mich in einer anderen Phase meines Lebens und meiner körperlichen Lebensbegleitung kennengelernt. Nie war das ein hinderndes Thema (außer vielleicht für mich). Wir haben vor, primär zu genießen und zu lachen und das wird uns sicher gelingen.

Aber ganz egal, ob es etwas zu feiern gibt der nicht: Umgebt euch mit Menschen, die euch guttun und das Leben mit euch so nehmen, wie es ist.

Gemeinsames Abendessen

Sightseeing in Italien

Ein wunderbares Erlebnis

Und schon ist es geschehen, aus Vorfreude wird aktuelles Erleben und dann Erinnerung an ein unvergleichliches Fest. Von den elf Freundinnen, die ich eingeladen hatte, sind neun gekommen. Eine neu aufgeflammte Krebserkrankung ließ uns eine Freundin nur im Herzen dabeihaben. Und die zweite hatte ihren kranken Vater zu betreuen und hat sich zudem noch mit COVID angesteckt.

Innerhalb eines Tages waren alle von Hamburg bis Basel eingetroffen und wir hatten unseren 300-jährigen Palazzo mit vielen Schlafzimmern bezogen. Von da an galt: nur noch genießen, quatschen, lachen, alte Geschichten erzählen, neue Ideen teilen, wunderbare Dinge sehen, andere Stimmung aufsaugen, Cappuccino bis zum Abwinken, Wein moderat, Aperol mit Genuss und Dolci zum Genuss. Auch wenn sich die meisten nicht kannten, entstanden immer neue Kombinationen und jede hatte Spaß an der anderen.

Freundinnen von Ute

Zulassen können – wer lässt sich schon gerne schieben?

Und für mich die intensivste Erfahrung: Ich konnte es zulassen, dass jede mich mal im Rollstuhl schiebt. Ich hätte auch laufen können, aber das wäre doch zu anstrengend geworden. Auch das ist etwas, was ich noch bis vor Kurzem nicht zugelassen hätte. Ich muss jedoch zugeben, dass es talentierte und weniger talentierte „Schieber“ gibt. Bei süditalienischer Pflasterung ist das verständlich.

Ausflug mit Rollstuhl

Ich plädiere: Jedem MS-Betroffenen seinen eigenen Haus-Elf

Und noch etwas, was meiner speziellen Herausforderung Rechnung getragen hat. Mein Mann war als einziger männlicher Begleiter dabei. Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass er sich wunderbar dieser Aufgabe ergeben hat. Er trug das T-Shirt eines Haus-Elfen und hat sich auch so eingesetzt. Das war für mich ein wunderbares Geschenk.

Selbstgemachte Pasta

Selbstgemachte Tortellini

Unsere Chatgroup besteht immer noch und es besteht der Wunsch, sich wieder gemeinsam zu treffen.

Ich wäre nie auf die Idee gekommen, so etwas zu tun. Verzicht auf das, was man normalerweise tut und immer getan hat und stattdessen etwas anderes tun mit dem Fokus auf mehr Gemeinsamkeit. Was ich im Laufe meiner Herausforderungen immer wieder erfahre: Besondere Herausforderungen bergen auch besondere Chancen.

Inhaltlich geprüft: M-DE-00016675

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