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Steffi H., MS-Betroffene, 54 Jahre

Erfahrungsberichte

Mehr Aufmerksamkeit für Fatigue durch Long-Covid

6 Minuten

Veröffentlicht am 01.12.2021  von  Steffi H.

Am 28. Oktober habe ich mein 10-jähriges Kennenlernen mit der MS „gefeiert“. 2011 teilte mir mein damaliger Neurologe mit, dass meine zahlreichen Probleme nicht eingebildet waren, sondern verursacht wurden durch eine Erkrankung mit dem seltsamen Namen „Multiple Sklerose“.

In den letzten zehn Jahren ist viel passiert. Mein Hauptthema im Leben mit der MS ist nach wie vor die Entschleunigung. Ich kann mal mehr, mal weniger gut entschleunigen. Wenn es mir gut geht, übernehme ich mich gerne mal – und zwar so richtig – und bekomme dann quasi die Quittung dafür in Form von verschiedensten Einschränkungen. Mal sind es Sehstörungen, gerne das verstärkte „Ameisenlaufen“ in Händen, Füßen oder auch mal in einer Körperhälfte. Das bringt mich dann schnell wieder auf den Pfad der angestrebten Langsamkeit zurück – bis zum nächsten Mal :)

Fatigue – unsichtbar, aber mit voller Wucht

Ich habe das große Glück, dass man mir meine MS nicht ansieht. Es ist durchaus schön, wenn man gesagt bekommt, dass man gut aussieht, auch ich höre das gerne. Allerdings möchte ich an manchen Tagen weinen oder laut schreien, wenn mir jemand diesen Satz sagt, ich mich aber gerade fühle, als ob mich ein Laster überrollt hätte – weil die Fatigue mal wieder zugeschlagen hat.

Ich leide (im wahrsten Sinne des Wortes) unter Fatigue und es gibt wenig, was ich ihr entgegen zu setzen habe.

Ich sehe aus wie das blühende Leben, fühle mich aber schrecklich. Und wie sehr ich auch versuche, Menschen, die nicht in meiner Haut stecken, zu vermitteln, WIE sich das anfühlt – es scheint unmöglich. Oftmals habe ich dann das Gefühl, dass ich mich mit meinen Erklärungsversuchen bei meinem Gegenüber total in die Nesseln setze, mich unglaubwürdig dastehen lasse, ein „Drückeberger“ zu sein.

MS-Betroffene Steffi steht vor einer Bergkulisse

Bis vor Kurzem war Fatigue gefühlt „nur so ein Insider-Ding“, das vor allem bei chronisch kranken Menschen oder Krebspatienten auftritt. Davon gibt es zwar viele, aber wie oft trifft man sie? Bei einer der in den letzten fast zwei Jahren nicht enden wollenden Berichterstattungen über Covid-19 wurde ich plötzlich hellhörig: Hatte da jemand gerade das Wort „Fatigue“ ausgesprochen? Im Vorabendprogramm? In einer seriösen Nachrichtensendung? JA – die mittlerweile unzähligen Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren und jetzt an Long-Covid leiden, berichten offensichtlich, dass sie sich sehr häufig mit dem chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) herumschlagen müssen.

Ich wünsche das ja niemandem, ABER: Für alle, die darunter leiden, ist es mit Sicherheit nicht von Nachteil, dass dieses seltsame Etwas gerade ein bisschen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Je öfter darüber gesprochen wird, umso mehr Menschen werden auf diese Problematik aufmerksam und ich hoffe inständig, dass damit auch das Verständnis wächst. Verständnis für etwas, was unglaublich lästig, unangenehm, massiv beeinträchtigend ist, ABER unsichtbar und damit bisher irgendwie immer nach dem Motto behandelt wurde „was nicht zu sehen ist, ist auch nicht da“.

Leider gibt es außer aushalten/ausruhen/über sich ergehen lassen im Moment nicht allzu viel, was man dieser Fatigue entgegensetzen kann. Ein möglichst gutes Zeit- und Kräftemanagement ist das, was ich seit Jahren versuche zu perfektionieren. Mal gelingt es gut, mal weniger gut, was sicher auch dem Umstand geschuldet ist, dass dieses „Ding“ auch gerne ganz unerwartet über mich hereinbricht.

Aber aufgeben war noch nie mein Ding!

In diesem Sinne, bis denne

Eure Steffi

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