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Veröffentlicht am 15.09.2017 von Jennie
Nicht können und nicht wollen sind oftmals eines. Wenn wir ehrlich zu uns und anderen sein wollen, sollten wir uns dieser Tatsache bewusst werden und sie uns eingestehen. Zugegeben, es gibt sicher ganz, ganz viele Dinge, die wir nicht zuletzt durch unsere Krankheit, tatsächlich nicht (mehr) können – keine Frage! Aber oftmals sollte ein „Ich kann nicht“ ehrlicher „Ich will nicht“ heißen.
Beispiele fallen mir dazu viele ein. Man denke etwa an eigene Kann-Nicht-Entschuldigungen, wenn es um weniger erbauliche Tätigkeiten oder Besuche bei der buckligen Verwandtschaft geht. Erst sucht und findet man Gründe, an die man gerne selber glaubt (meistens das körperliche Befinden betreffend): „Ich kann nicht kommen, weil: Erkältung im Anmarsch oder Magen-Darm und ich will Euch ja nicht anstecken!“ Nachdem man sich erfolgreich gedrückt und Zeit für Besseres gewonnen hat, erfolgt die sofortige Wunderheilung: Die ersten Erkältungssymptome sind verschwunden, Magen-Darm prompt wieder beruhigt. Und man merkt, das Kann-Nicht war ein Will-Nicht ... Denn wenn man etwas wirklich will, ist oftmals kein Weg zu steinig, kein Berg zu steil, kein Wetter zu heiß, zu kalt oder zu nass, keine Hürde ist unüberwindbar.
Dieses: „Das kannst Du nicht!“ versucht mein innerer Schweinehund, mein innerer Winselköter, mir aktuell auch gerade wieder einzuflüstern. „Das kannst Du nicht: Denk an Deine MS und die Gleichgewichts- und Koordinationsprobleme, die Gangunsicherheit, mögliche Muskelkrämpfe und die Verletzungsgefahr!“, winselt er. Damit meint er, dass ich nicht in Schuhen mit Absätzen laufen kann.
Vor Jahren hab' ich das ein einziges Mal probiert und nach fünf Metern laufen mit einem „Ich kann das nicht!“ aufgegeben. Wie ich mir heute eingestehen muss, war das ein eindeutiges Will-Nicht, denn sie passten einfach nicht zu mir – nicht mein Ding, nicht mein Stil! Ich hatte weder die passende Garderobe noch Hobbys oder Interessen und somit keinen Grund, warum ich in Schuhen mit Absätzen laufen können sollte. Jetzt möchte ich das aber können. Denn zu einem schicken Steampunk-Outfit sehen meine praktischen und bequemen „Trampel-Treter“ einfach sch ... aus!
Und wenn man's nicht versucht, hat man von vornherein verloren (um mal eine dieser zahlreichen, schlauen Kalenderweisheiten zu bemühen). Also versuch ich's bald noch mal. Um nicht mit dem Kauf von teuren Schuhen auf die Nase zu fallen, hab' ich mir ein günstiges Paar ersteigert – gleich recht hohe (denn wenn schon, denn schon), keine Pfennigabsätze, sondern etwas breitere, aber trotzdem elegante Absätze. Hoffentlich passen sie und ich lege mich mit den Dingern nicht auf die Schnauze! Vermutlich laufe ich darin erst recht wie ein Storch im Salat, aber mein schicker Gehstock wird mir bestimmt etwas Halt und Sicherheit geben und meinen unsicheren, komischen Gang vielleicht etwas kaschieren können ... Noch sind die Schuhe nicht angekommen, aber ich bin guter Dinge, dass aus einem Kann-Nicht-Will-Nicht ein frohes: „Ich kann's doch!“ wird. Denn der Wille ist da und das ist immer die erste und wichtigste Voraussetzung, um etwas zu erreichen!
Menschen sind zu absoluten Höchstleistungen in der Lage, wenn sie etwas wirklich wollen.
Man halte sich immer vor Augen, zu welchen absoluten Höchstleistungen Menschen in der Lage sind, wenn sie etwas wirklich wollen. Man denke an unglaubliche akrobatische Leistungen, an die Genesung von unheilbar Kranken, an Arktis-Durchwanderer, an Everest-Besteiger, an Apnoe-Taucher, die Unmögliches erreichen. Da sollte ich es doch schaffen, auf dämlichen Absätzen durch die Gegend zu wackeln – oder nicht?!
Text und Cartoon: Jennie Bödeker
Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220
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