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medikamentöse Therapie

Nachgefragt: Therapietreue bei MS

8 Minuten

Veröffentlicht am 02.02.2021  von  trotz ms Redaktion

Dr. Daniela Rau ist Neurologin in einer nervenfachärztlichen Gemeinschaftspraxis in Ulm, in der ca. 1.000 MS-Betroffene behandelt werden. Im Interview beantwortet sie fünf Fragen rund um das Thema „Adhärenz“.

Als Fachärztin für Neurologie beschäftigt sich Frau Dr. Daniela Rau seit über 10 Jahren mit der Multiplen Sklerose und hat schon diverse Publikationen zu diesem Thema veröffentlicht. Seit 2017 ist sie in einer Gemeinschaftspraxis in Ulm tätig, an die die Patientenakademie „Neuropoint“ angeschlossen ist.

Frau Dr. Rau, was bedeutet eigentlich Adhärenz?

In einem Wort bedeutet Adhärenz „Therapietreue“. Dieser abstrakte Begriff sollte aber vermutlich noch genauer erklärt werden. Er besagt, dass der Patient seine Therapie auf eine Art und Weise einhält, die er zusammen mit seinem Arzt besprochen und vereinbart hat. Dazu gehört nicht nur die richtige Einnahme eines Medikaments: Auch das Einhalten von laborchemischen Kontrollen oder anderen notwendigen Untersuchungsterminen sowie empfohlene Lebensstilveränderungen wie beispielsweise im Bereich der Ernährung und Bewegung fallen unter Adhärenz. Anders als früher, übernimmt der Patient dabei eine aktivere Rolle. Er entscheidet auf Augenhöhe mit dem Arzt gemeinsam über seine Therapie und befolgt nicht mehr einfach nur das, was der Arzt vorgibt.

Warum ist Adhärenz so wichtig?

Therapien können nur richtig wirken, wenn Medikamente zuverlässig und wie verordnet eingenommen und die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Das Ziel von Adhärenz ist, eine Progression der Erkrankung so weit wie möglich zu vermeiden und dabei das Maximum an Lebensqualität für den Patienten beizubehalten.

Welche Faktoren der Therapie sind besonders wichtig für eine gute Adhärenz?

Bei einer längerfristig durchzuführenden langfristige Therapie wie bei der MS gibt es mehrere Faktoren, die sich auf die Adhärenz auswirken. Zum Beispiel: Wie häufig muss ein Medikament eingenommen werden und wie wird es verabreicht? Aber auch: Wie verträgt ein Patient die Therapie und wie lange bleiben eventuelle Nebenwirkungen bestehen? All diese Punkte müssen im Alltag des Patienten berücksichtigt werden. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit der Non-Adhärenz – also das Nicht-Einhalten einer Therapie – schon von vornherein groß. Der Patient fühlt sich enttäuscht und nicht richtig informiert und der Arzt fragt sich, was los ist, da die Entscheidung für eine Therapie initial gemeinsam getroffen wurde. Das führt zu Frustration auf beiden Seiten. Deswegen ist eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient unerlässlich.

Aber auch andere „persönliche“ Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Dazu gehören zum Beispiel das Alter und die Lebenssituation des Patienten. Jungen Menschen, die noch eine Berufswahl treffen müssen oder die Familienplanung noch vor sich haben, sind dabei oft andere Aspekte wichtig als älteren Menschen.

Ein ebenso wichtiger Punkt ist eine umfassende Aufklärung der Patienten. Je mehr sie ihre Therapie verstehen und je besser sie einschätzen können, was sie von ihrer Therapie erwarten können und was nicht, desto höher ist auch die Bereitschaft, der Therapie treu zu bleiben.

Warum sind manche MS-Betroffene nicht adhärent und wie können sie das ändern?

Als erstes würde ich mich mit dem Patient zusammensetzen und fragen, warum er der Therapie nicht „treu“ ist. Eine Non-Adhärenz hat meistens Gründe und die muss man herausfinden. Oft ist das eine Krankheitsprogression, obwohl der Patient bis dahin adhärent war. Auch Nebenwirkungen, die von einem Patienten nicht mehr toleriert werden oder dessen Angst vor eventuell auftretenden Nebenwirkungen können Gründe für non-adhärentes Verhalten sein. Ein anderer Grund wäre, dass es dem Patienten dank der Therapie so gut geht, dass er sich fragt, warum er die Therapie weiter einnehmen sollte. Und manche wiederum vergessen einfach die Einnahme ihrer Therapie. Erst wenn ich als behandelnder Neurologe den Grund für die Non-Adhärenz kenne, kann ich gemeinsam mit meinem Patienten etwas dagegen unternehmen: die Therapie wechseln, die Angst vor Nebenwirkungen nehmen, besprechen, dass es dem Patienten nur so gut geht, weil er der Therapie treu ist, oder Tipps geben, wie Medikamente nicht mehr vergessen werden. Eine offene Kommunikation ist hier der Schlüssel zum Erfolg.

Welche Fragen beschäftigen Patienten besonders in Bezug auf die Adhärenz?

Die häufigsten Fragen kommen meist zu Beginn der Erkrankung auf oder wenn die Therapie gewechselt wird. Aber auch wenn die Patienten ihre Therapie schon länger einnehmen, können Fragen aufkommen. Zu Beginn oder bei Therapiewechsel möchten sie meist wissen, an welche Richtlinien sie sich ab jetzt halten sollten oder welche Änderungen es in Zukunft gibt. Im späteren Verlauf hören wir Ärzte dann eher die Fragen, ob Medikamente denn wirklich noch weiter eingenommen werden müssen. Hier müssen wir unsere Patienten aufklären, wie wichtig es ist, eine gut wirksame Therapie weiter im verordneten Intervall anzuwenden.

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