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Begleittherapie

Spezielle Reha-Technik hilft bei MS doppelt

8 Minuten

Veröffentlicht am 05.09.2018  von  Onmeda

Eine für Schlaganfall-Patienten entwickelte Reha-Methode bekämpft auch die Bewegungseinschränkungen bei multipler Sklerose. Zwei neue Studien zeigen, dass das Training MS-Patienten nicht nur beweglicher macht, sondern sich auch positiv auf das Gehirn auswirkt.

Mann dehnt den Arm eines anderen Mannes

Eine besondere Reha-Technik, die ursprünglich für Schlaganfallpatienten entwickelt wurde, hilft offenbar auch Patienten mit multipler Sklerose (MS). Mit der sogenannten Constraint Induced Movement Therapie (CIMT) verbessern MS-Patienten nicht nur ihre Beweglichkeit im Alltag. Die Methode wirkt sich zudem positiv auf die weiße Substanz im Gehirn aus. Diese enthält viel Myelin, aus dem die Schutzschicht um Nervenfasern herum besteht.

Diese Effekte wiesen britische Forscher in zwei verschiedenen Studien nach. Beide wurden im gleichen Fachmagazin Neurorehabilitation and Neuronal Repair veröffentlicht. "Diese Ergebnisse könnten für Patienten mit MS wegweisend sein", erklärt Studienautor Victor Mark von der University of Alabama School of Medicine in Birmingham (USA).

Gesunde Gliedmaßen ruhig stellen und die kranken trainieren

Die CIMT basiert auf der Methode des "erzwungenen Gebrauchs" von Gliedmaßen, deren Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist. Im Englischen heißt die Technik auch forced use. Ärzte hatten beobachtet, dass Patienten die betroffenen Glieder aufgrund der Funktionseinbußen oft noch weniger bewegen. Stattdessen verlassen sie sich im Alltag auf die gesunden Gliedmaßen – und verschlechtern ihre Beweglichkeit immer weiter.

Um diesem "gelernten Nichtgebrauch" entgegenzusteuern, zwingen Therapeuten ihre Patienten dazu, die passiv gestellten Gliedmaßen intensiv zu bewegen und im Alltag zu gebrauchen. Dies geschieht, indem sie den gesunden Körperteil über längere Zeit ruhigstellen. Das wiederholte Training sorgt schließlich dafür, dass sich die Nerven neue Wege bahnen und Patienten die bewegungsunfähigen Gliedmaßen wieder einzusetzen lernen.

CIMT umfasst zudem verhaltenstherapeutische Ansätze, bei denen positives Feedback und Motivationstechniken eine wesentliche Rolle spielen. Zum Beispiel geht es darum, bestimmte Ziele bei der Beweglichkeit immer nur in kleinen Schritten zu erreichen. Außerdem helfen die Reha-Therapeuten dabei, in den Alltag zu übertragen, was in der Therapie gelernt wird.

Methode anderen Bewegungsprogrammen überlegen

In der ersten Studie absolvierten 20 MS-Patienten mit einseitigen Bewegungseinschränkungen des Arms entweder ein Training auf der Grundlage der Constraint Induced Movement Therapie (CIMT) oder ein Programm, welches komplementäre und alternative Heilmethoden umfasste. Dazu gehörten unter anderem Yoga und Aquagymnastik. Sie trainierten insgesamt 35 Stunden an zehn aufeinanderfolgenden Wochentagen.

Mit Hilfe von strukturierten Interviews erfassten die Forscher den Grad der Beweglichkeit vor und nach der Reha-Behandlung. Bei der CIMT-Gruppe waren die betroffenen Gliedmaßen viel besser beweglich als bei der Kontrollgruppe. Auf einer Skala von null bis fünf Punkten verbesserte sich die Beweglichkeit durch die CIMT im Schnitt um 2,7 Punkte. Bei der Kontrollgruppe waren es dagegen nur 0,5 Punkte. Auch ein Jahr später waren diese Unterschiede unverändert. Dies deute darauf hin, dass sich die Funktionalität der kranken Gliedmaßen bei MS auch langfristig verbessern lasse, schlussfolgern die Forscher.

Positiver Nutzen für die weiße Substanz im Gehirn

In der zweiten Studie untersuchten die Forscher die Struktur der weißen Substanz bei den gleichen MS-Patienten. Sie wollten wissen, ob und inwieweit sich das CIMT-Training oder alternative Behandlungsansätze auf das Gehirn ausgewirkt haben. Tatsächlich hatte sich die weiße Substanz in mehreren Hirnarealen verändert, die CIMT-Übungen zeigten deutliche positive Effekte. Die Myelin-Schäden, die die multiple Sklerose hervorgerufen hatte, seien durch das Training vielleicht sogar wieder rückgängig zu machen, hoffen die Forscher. "CIMT hat sich als wirksam bei motorischen Defiziten gezeigt", sagt Studienautor Victor Mark. "Wirklich faszinierend ist, dass das Training auch degenerative Erkrankungen wie die MS positiv beeinflusst."

Die Rehabilitationsmethode hilft zum Beispiel Patienten nach einem Schlaganfall oder einer zerebralen Lähmung. Beides seien "statische" Krankheiten, bei denen Patienten im weiteren Krankheitsverlauf in der Regel keine Verschlechterungen mehr erleben. "Die CIMT eignet sich offenbar auch für Patienten mit einer Krankheit, die sich fortschreitend verschlechtert", so Mark. Das sei von großer Bedeutung, weil MS oft junge Menschen trifft. Aufgrund der verbesserten Beweglichkeit im Alltag könnten sie vielleicht viel länger selbstständig leben. Als nächstes möchten die Forscher prüfen, ob auch die Beine von der CIMT profitieren.

Quellen:

Mark, V.W. et al.: Phase II Randomized Controlled Trial of Constraint-Induced Movement Therapy in Multiple Sclerosis. Part 1: Effects on Real-World Function. Neurorehabilitation and Neuronal Repair (April 2018)

Barghi, A. et al.: Phase II Randomized Controlled Trial of Constraint-Induced Movement Therapy in Multiple Sclerosis. Part 2: Effect on White Matter Integrity. Neurorehabilitation and Neuronal Repair (April 2018)

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

*Quelle: www.onmeda.de

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