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Steffi B., MS-Betroffene, 44 Jahre

Erfahrungsberichte

MS – warum ausgerechnet ich?

10 Minuten

Veröffentlicht am 29.10.2020  von  Steffi B.

Hallo ihr Lieben, jeder von uns kennt mittlerweile schlimme Diagnosen: Bei sich selbst, Freunden, Verwandten und Bekannten. Früher war es jemand, den man vom Erzählen her kennt, jemand, der mit irgendwem verwandt, bekannt oder befreundet ist. Heute sind wir selbst davon betroffen, dabei ist die MS je nach Verlauf ja noch eine der harmloseren Diagnosen. Wir bekommen mit der Diagnose nicht automatisch das Todesurteil geliefert wie so manch anderer. Da stellt man sich doch schon mal die Frage aller Fragen: „Warum habe ausgerechnet ich MS? Ist das Leben fair? Was kommt denn sonst noch alles? Ich hab doch nichts falsch gemacht, oder?

Trotz MS kann ich leben

Das Einzige, was man machen kann, ist das Ganze anzunehmen. Nicht mit sich und der Welt zu hadern, auch wenn es manchmal schwerfällt. Denn wie heißt es so schön: Jeder bekommt nur das Päckchen, das er auch tragen kann! Warum es bei den einen nur ein Maxibrief ist und bei den anderen ein Paket mit Schwerlast, darüber könnte man bestimmt stundenlang philosophieren. Was ich damit sagen will: Trotz MS kann ich leben und mitmachen. Ich muss mich zwar manchmal anders organisieren oder auch mal Verabredungen absagen, aber andere haben diese Wahl erst gar nicht. Ob mir das immer gut gelingt, kann ich nicht so einfach beantworten. Denn da gibt es die Fatigue, die einem manchmal das Leben schwer macht. Ein anderes Mal meldet sich Herr Uhthoff zu Wort, dann tauchen plötzlich undefinierbare Schmerzen auf. Und wieder ein anderes Mal gibt es keine Symptome und ich kann tatsächlich vergessen, dass ich krank bin.

Warum ich nicht?

Wo wird denn entschieden, wer was bekommt, was fair ist und wie lange wir bleiben dürfen? In dem Lied „In meiner Erinnerung“ von Silbermond lautet eine Textzeile: „Verrätst Du mir was übrig bleibt von der Lebenszeit?“ Wollen wir das wirklich wissen? Oder ist es nicht besser, das Schicksal anzunehmen und zu schauen, was passiert? Denn unter dem Strich trifft es uns doch alle!

Umgekehrt könnte man doch auch fragen: „Warum ich nicht? Warum sollte ausgerechnet ich diejenige sein, die das Schicksal verschont?“ Wenn ich mir mein Leben rückblickend anschaue, stelle ich doch fest, dass ich ganz schön lange vom Schicksal verschont geblieben bin! Eigentlich hatte ich ganz schön lange das Glück, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. Meine Diagnose bekam ich erst mit vierzig, da ist es doch recht gut, dass der Körper anfängt etwas langsamer zu arbeiten. Denn das heißt nicht, dass alles so ausgeprägt sein muss wie mit vierzehn, achtzehn oder Mitte zwanzig.

Mein Papa war der Erste und Einzige in meiner Familie, der an Krebs verstarb und meine Oma war stolze vierundneunzig, noch relativ rüstig, als sie Samstagabend ins Bett ging und Sonntag nicht mehr aufstand. Das ist doch genau das, was sich so viele von uns wünschen! Dafür kann man doch eigentlich nur dankbar sein. Ja, da gibt es die ein oder andere Trennung, den einen oder anderen Umzug, eine vermasselte Prüfung, ein Date, das nicht geklappt hat, ein kaputtes Auto und, und, und. Aber das ist doch das Leben! Dinge, die jedem tagtäglich immer wieder passieren. Wäre es nicht besser, dankbar zu sein für das Leben mit einem Partner, der einem zur Seite steht, mit Familie, Freunden und Bekannten, die für einen da sind. Und das nicht nur wenn es einem schlecht geht. Schmerzliche Erfahrungen, die einen wachsen lassen. Die auch zum Leben dazu gehören – ohne dass man an allem zweifeln muss.

Wo bringt es mich hin?

In einem unserer Treffen vom trotz MS Redaktionsteam sollten wir ein Lebensmotto aufschreiben. Für Euch gab es die Möglichkeit, Euren Leitsatz mit Foto an Wayne zu schicken. Ich selbst musste gar nicht lange darüber nachdenken, was ich da aufschreiben soll. Mein Lebensmotto lautet schon immer: In allem Schlechten steckt auch was Gutes! Ok, die Kunst dabei ist es dann wohl, wenn es einem so richtig schlecht geht, das Gute trotzdem zu finden. Die Überlegung aus einem „Warum ich“ zu einem „Warum ich nicht“, zu einem „Wozu soll das alles gut sein“ zu kommen. Das ist doch auch ein Weg, den man gehen kann. Ich sehe jetzt schon den ein oder anderen aus meinem Umfeld grinsend die Augen verdrehen. Denn da ist sie wieder, die Steffi die alles immer positiv sieht, die in dunkelster Finsternis das Licht am Ende des Tunnels sucht (und dabei manchmal mit Anlauf gegen die Wand rennt, denn auch ich kann im Dunkeln nichts sehen).

MS - warum ausgerechnet ich?

Die Chance nutzen

Hätte ich ohne MS mal ernsthaft über mein Leben nachgedacht? Hätte ich ohne den Tod meines Papas mal über die Endlichkeit nachgedacht? Hätte ich ohne MS Wayne und das ganze Team um trotz ms kennengelernt? Die Antwort lautet: Nein! Denn wenn es einem gut geht, das Schicksal einem nicht gerade alles um die Ohren haut, denkt man über das alles doch nicht nach, zumindest ich nicht. Durch meine Erkrankung habe ich die Möglichkeit, bei so einem tollen Projekt wie diesem hier mitzumachen. Menschen kennenzulernen, denen ich gesund niemals begegnet wäre. Ich sehe darin mittlerweile eine Chance: Die Chance, bewusster mein Leben zu leben, nicht alles für selbstverständlich zu nehmen, mal in mich und auf meinen Körper zu hören und zu sagen: „Jetzt erst recht“ oder auch „Jetzt reicht’s!“

Ich sehe in der MS mittlerweile eine Chance, bewusster mein Leben zu leben, nicht alles für selbstverständlich zu nehmen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal eine Textzeile zitieren, die ich für mich und meine heutige Lebenseinstellung recht passend finde. Dieses Mal ist er von Herbert Grönemeyer aus dem Song „Der Weg“: „Ich bin viel zu träge, um aufzugeben. Es wär auch zu früh, weil immer was geht“.

Ich hoffe mein heutiger Beitrag hat Euch gefallen und Ihr konntet für Euch etwas Positives mitnehmen. Das jedenfalls war mein Ziel. Danke für Eure Zeit!

Liebe Grüße
Eure Steffi

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

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