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Alex, MS-Betroffener, 43 Jahre

Erfahrungsberichte

Abnehmen mit MS: Joggen – meine Rettung

11 Minuten

Veröffentlicht am 03.12.2020  von  Alex

Das Jahr 2019 war für mich nicht besonders toll. Gegen Ende 2019 war ich frustriert und sowohl psychisch als auch körperlich relativ angeschlagen. Damals wog ich 97 bis 98 Kilogramm bei 1,87 Meter Körpergröße und hatte mir einen kleinen „Wohlstandsbauch“ angefressen. Ich fühlte mich nicht mehr wohl in meiner Haut, war total schlapp und unfit. Die Fatigue belastete mich zusätzlich.

Ich wollte und musste mich also verändern, der MS, meinem Körper und meiner Seele zuliebe, um mich einfach besser zu fühlen. Die Musik (siehe meine anderen Texte) hielt mich dabei zwar psychisch bei der Stange, aber auch das beste psychische Training lässt die Muskeln nicht wachsen. Körper und Geist sind eine Einheit, also wollte ich für mich irgendwo auch körperlich einen neuen Weg einschlagen.

Mit Sport und Ernährungsumstellung den Kilos zu Leibe rücken

Alle vorherigen Trainingseinheiten im Fitnessstudio ließen mein Gewicht nur wenig bis gar nicht schwinden. Gut, ich war auch nicht wirklich motiviert und konsequent in meinem Tun. Vielleicht weil das Training an Geräten nicht so wirklich meins ist. Es passierte einfach nicht viel. Ich musste mehr Cardiotraining machen, um Gewicht zu verlieren und auch fitter zu werden. Ich fing wieder an, Sport zu machen, was ich bis dato oft vernachlässigt hatte, weil ich mit anderen Dingen beschäftigt war. Zudem reflektierte ich mein Essverhalten.

Landschaftsbild

Ich definierte mir ein neues Ziel: Zehn Kilogramm weniger wollte ich wiegen – mein angestrebtes Idealgewicht waren 87 Kilo. Der ganzen Sache wollte ich mit Sport, in meinem Falle Joggen und begleitend reinem Cardio-Fitness (im Fitnesstudio: „Attack“ – ein sehr intensives Ganzkörper-Cardiotraining) zu Leibe rücken. Und tatsächlich war das gar keine schlechte Idee, wie sich im Nachhinein herausstellte.

„Ich merkte, dass Joggen mir guttat, vor allem, weil ich dadurch nicht nur körperlich fitter wurde, sondern auch negative Gedankenkreisläufe abschalten konnte.“

Ich fing im Frühjahr an zu joggen. Das war am Anfang ziemlich beschwerlich, weil ich rauche. Eine Runde hinterm Haus über den Feldweg und wieder zurück waren genau 1,5 Kilometer. Meine Güte war ich danach fertig! Meine Lunge brannte und ich bekam kaum Luft. Für die Strecke brauchte ich ungefähr zehn Minuten plus minus eine Minute, je nach Verfassung. Mehr ging zu der Zeit nicht. Zuhause machte ich Liegestütze und Sit-ups. Doch ich wollte mich steigern, nicht nur zeitlich, sondern auch was die Strecke anging. Ich merkte, dass Joggen mir guttat. Dadurch wurde ich nicht nur körperlich fitter, sondern konnte auch negative Gedankenkreisläufe abschalten.

Darüber hinaus habe ich meine Ernährung umgestellt und mich bewusster ernährt. Weniger Kohlenhydrate und weniger zuckerhaltige Getränke waren für mich ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Weniger Pizza, dafür mehr Salat. Zuckerhaltige Getränke wurden durch Sprudel ersetzt. Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt.

„Irgendwann kommt der Moment, wo Dir Dein Körper sagt: Es geht nicht mehr. Diesen Moment musst Du überwinden - dann läufst Du weiter.“

Im Internet suchte ich nach einer attraktiveren Jogging-Strecke. An einem See, in dem Fall dem Ökosee in Dillingen/Saar, hatte ich schon einmal mit Freunden meine Runden gedreht. Also verlagerte ich mein Training und meine Jogging-Runde dorthin. Eine Runde um den See ist 3,6 Kilometer lang. Anfangs musste ich zwischendurch auch mal gehen. Ich blieb aber dran und von Lauf zu Lauf wurde es immer besser und einfacher. Der Wille hat mich hier auch immens getragen. Und für gute Musik hatte ich auch gesorgt – auf meinen Bluetooth-In-Ear Kopfhörern. Dann lief ich meine erste Runde ohne Pause. Zwei- bis dreimal in der Woche drehte ich meine Runde am Ökosee. Dann wollte ich mehr. Irgendwann lief ich zwei Runden (7,2 Kilometer) und dann drei (10,8 Kilometer). Einmal habe ich sogar vier Runden (14,4 Kilometer) geschafft!! Ihr glaubt gar nicht, wie stolz ich war.

Willenskraft besiegt inneren Schweinehund

Wichtig beim Sport ist für mich, wie bei allem eigentlich, die Psyche. Mein Kopf ist die Zentrale. Er trägt mich über die Strecke und ich habe mit ihm so oft meinen inneren Schweinehund überwunden. Irgendwann kommt der Moment, wo mir mein Körper sagt: Es geht nicht mehr. Diesen Moment muss ich überwinden. Dann laufe ich weiter. Gute Musik auf den Ohren pusht mich dabei. Die 14 Kilometer (genauer 14,2) lief ich mit Alice in Chains (Album „Dirt“) in insgesamt einer Stunde und 45 Minuten. Dabei verbrannte ich 1.414 Kalorien. Zum Vergleich: Mein Tagesverbrauch an Kalorien im Ruhezustand, also was mein Körper ohne Bewegung verbrennt, liegt bei 2.200 Kalorien.

„Joggen ist für mich zu einem alltäglichen Bestandteil meines Lebens geworden und es tut mir, meiner MS gut. Joggen war für mich die Rettung vorm körperlichen und seelischen Einbruch.“

Das Training zahlte sich nach und nach aus: Aus 97 Kilo wurden 93 Kilo und irgendwann unterschritt ich die magische Marke von 90 Kilogramm. Heute wiege ich zwischen 87 und 89 Kilogramm. Das dauerte etwa vier bis sechs Monate, obwohl ich schon im letzten Jahr mit dem Training anfing.

Weniger Gewicht, mehr Wohlbefinden bei MS

Dieses Gewicht halte ich nun seit bestimmt etwa vier Monaten. Ich habe mein Ziel erreicht und fühle mich einfach viel besser und fitter. Zehn Kilo runter – ich bin so happy. Außerdem kann ich mich wieder gerne im Spiegel anschauen, weil mein Körper einfach definierter aussieht. Sowas schlägt sich auf das eigene Körperempfinden und in meinem Falle auch auf das psychische Wohl aus. Selbst die Fatigue wurde besser, auch wenn ich sie nicht komplett eliminieren konnte. Momentan gehe ich dreimal pro Woche Joggen (mindestens eine Runde, besser zwei), um mein Gewicht zu halten und mich besser zu fühlen. Das intensive Cardiotraining (Attack) im Fitnessstudio mache ich zusätzlich. Ich habe mehr Kondition als zuvor und alltägliche Tätigkeiten machen mir nicht mehr so sehr zu schaffen. Meine Ernährung habe ich ebenso umgestellt und ich esse bewusster.

Joggen ist für mich zu einem alltäglichen Bestandteil meines Lebens geworden und es tut mir und meiner MS gut. Joggen war für mich die Rettung vorm körperlichen und seelischen Einbruch.

Ich kann nur jedem empfehlen, seinen inneren Schweinehund zu überwinden und sich aufzuraffen, um etwas für seine Fitness zu tun. Mich hat es wirklich weitergebracht und ich fühle mich sowohl körperlich, als auch seelisch fitter als je zuvor.

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