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Mathilde, MS-Angehörige, 24 Jahre

Erfahrungsberichte

Umgang mit Konflikten durch die MS zwischen meiner Mutter und mir

7 Minuten

Veröffentlicht am 02.02.2022  von  Mathilde

Welche Konflikte im Umgang mit MS-Betroffenen auftreten können und wie man ihnen begegnen kann, erzählt Mathilde aus der Sicht einer Angehörigen.

Mathilde und Heike sitzen draußen in einem Cafe im Urlaub.

Umgang mit Konflikten durch die MS zwischen meiner Mutter und mir

Seit der MS-Diagnose meiner Mutter hat sich unser Leben gefühlt um 180 Grad gedreht. Nicht viel ist mehr so, wie es vorher war. Meine Mutter stand voll im Leben, hatte sich erst einige Jahre vorher ihren Traum vom eigenen Haus verwirklicht, war in ihrer Arbeit sehr eingespannt und war auch sportlich gern aktiv. Zudem liebte sie das Reisen und der Familienurlaub einmal im Jahr war ihr sehr wichtig. Daher war es abzusehen, dass es für sie schwer werden würde, zu akzeptieren, wenn ihr gesamter Alltag auf einmal wegbricht. Aber gemeinsam haben wir unseren Umgang mit der MS gefunden.

Die MS schränkte ihren Alltag sehr ein. Sie musste auf viel von dem, was Sie gern tat, verzichten. Aus den Joggingstrecken wurde ein kurzer Spaziergang, die Arbeit musste sie mehr und mehr reduzieren, bis sie schließlich in Frührente ging. Das Haus konnten wir nicht mehr halten – die Gartenarbeit und der Haushalt wurden zu viel.

Verständnis durch Verstehen

Ein solcher Schicksalsschlag belastet die Psyche ungemein, sodass es auch öfter unschöne Situationen gab. Zu Beginn der Diagnose hatte ich das Gefühl, dass meine Mutter gern alle ihre Probleme auf die MS schob. Einer der größten Konfliktpunkte zwischen uns war, dass die MS an allem Schuld war. Wenn sie etwas vergessen hatte, kamen Sätze wie: ,,Du weißt doch, dass ich einen Hirnschaden habe.“ Ich habe zu ihr dann auch Sätze gesagt wie: ,,Mama, ich bin auch mal müde. Schieb nicht immer alles auf die MS.“

Tatsächlich habe ich damals die Krankheit nicht so verstanden wie heute. Es hat mir sehr geholfen, Verständnis aufzubringen, indem ich durch die Kampagne ,,trotz ms“ andere Betroffene kennenlernen und deren Lebensgeschichten hören durfte. Doch auch wenn sowohl meine Mutter als auch ich akzeptiert und gelernt haben, mit der Krankheit gut zu leben, so gibt es auch heute noch Konflikte, die wir bewältigen müssen.

Bedürfnissen Raum geben

Zum einen ist die unausgesprochene Angst da, ich könnte die Diagnose auch eines Tages erhalten. Meine Mama möchte deshalb, dass ich wie sie Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel nehme. Allerdings möchte ich selbst darüber bestimmen, wie ich mich ernähre.

Auch ist meine Mutter, seitdem sie in Frührente gegangen ist, viel zu Hause. Sie möchte am liebsten jeden Tag mit mir telefonieren, seitdem ich nicht mehr bei ihr wohne. Allerdings bin ich in Vollzeit berufstätig, habe meinen eigenen Haushalt zu bewältigen, gehe regelmäßig nach der Arbeit zum Sport und habe nicht immer Zeit, mir ihr zu telefonieren. Ich habe oftmals das Gefühl, sie ist enttäuscht, dass ich mich weniger bei ihr melde, als sie es gerne hätte. Hierbei haben wir allerdings den Kompromiss gefunden, dass wir uns an den Wochenenden sehen.

Ein weiterer Konflikt ist unsere gemeinsame Leidenschaft fürs Reisen. Früher haben wir öfters Urlaube zusammen gemacht. Das würde meine Mutter auch gern weiterhin. Allerdings haben ich Bedenken, der Urlaub könnte für mich mehr Anstrengung als Erholung bedeuten.

Im November diesen Jahres sind wir zusammen nach Ibiza geflogen. Da wir uns beide nicht zutrauen, einen Mietwagen auszuleihen, sind wir in der Stadt Ibiza geblieben, was allerdings auch nicht schlimm war. Wir haben diese Zeit als Erholung genutzt und noch einmal das Vitamin D in der kalten Jahreszeit auf natürliche Weise getankt. Wir hatten eine wunderschöne und sehr erholsame Woche.

Auch wenn wir uns nicht immer sofort einig sind, reden wir darüber und versuchen, einen Kompromiss zu finden. Jeder muss lernen, die Sichtweise des Anderen zu verstehen und zu akzeptieren. Ich weiß, meine Mutter meint es nur gut. Keine der Sichtweisen ist dabei richtig oder falsch – es kommt darauf an, sich dem anderen anzuvertrauen und einen Kompromiss zu finden, mit dem alle zufrieden sind.

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