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Carsten, MS-Betroffener, 47 Jahre

Erfahrungsberichte

Zwei auf einen Streich: MRT und Volumenmessung des Gehirns

10 Minuten

Veröffentlicht am 29.08.2019  von  Carsten

Vergangenes Jahr bin ich erneut von der MS-Schwester meines Vertrauens zu einer Veranstaltung meines Neurologen-Teams eingeladen worden: Das Thema war „Gedächtnisstörung und Müdigkeit – gehört das zur MS?“. Da habe ich mir gedacht, das passt ja wie „die Faust aufs Auge”. Genau mein Ding bzw. genau meine Hauptprobleme. Die Veranstaltung fand in Darmstadt statt, nicht allzu weit von mir entfernt, also bin ich hingefahren.

Insgesamt vier Referentinnen und Referenten gaben während der Veranstaltung interessante Einblicke in die Zusammenhänge von MS, kognitiven Defiziten und chronischem Müdigkeitssyndrom. In dem Bereich über Kognition wurde unter anderem das Thema „Hirnatrophie”, also der Verlust von Hirnmasse, angesprochen. Ich hatte mich hiermit eigentlich noch nie so richtig beschäftigt und war dann doch sehr überrascht über das Gesagte.

Täglich sterben zahlreiche Hirnzellen ab

Ob mit oder ohne MS – bereits ab einem Alter von 20 Jahren nimmt die Hirnmasse ab. Das war für mich ebenso neu, wie auch die Tatsache, dass man von ungefähr 50.000 bis 100.000 Hirnzellen ausgeht, die täglich absterben – eine schier unvorstellbare Menge. Der Mensch verfügt allerdings schätzungsweise über 100 Milliarden bis zu einer Billion Hirnzellen.

Bei MS-Erkrankten geht der Verlust der Hirnmasse allerdings schneller vonstatten als bei einem gesunden Menschen. Die Anzahl abgestorbener Hirnzellen ist also um einiges größer. Daher ist es auch nicht unbedingt verwunderlich, dass es dadurch zu einer Behinderungsprogression und zu kognitiven Defiziten kommen kann.

Wie viel Hirnmasse ist noch vorhanden?

Um diesen Wert und vor allem das Fortschreiten des Verlustes besser feststellen zu können, kann mithilfe einer MRT-Untersuchung das Hirnvolumen ermittelt werden. Das heißt, man führt das MRT regelmäßig durch (im Abstand von etwa einem Jahr) und kann dann anhand von Auswertungen sehen, wie schnell der Verlust der Hirnmasse fortschreitet.

Letztendlich sollte man sich von seinem Neurologen oder von seiner MS-Schwester zu zwei Punkten beraten lassen: Was für Möglichkeiten bestehen, diesen beschleunigten Verlust der Hirnmasse zu verlangsamen? Und wie kann man einer Verschlechterung seiner Behinderung sowie Defiziten entgegenwirken?

Folgende Tipps wurden während des Vortrags gegeben, um das Gehirn entsprechend zu fördern:

  • Sport (vor allem moderates Ausdauertraining)
  • Pflegen von sozialen Kontakten
  • Tanzen
  • Sprachen lernen
  • Bücher lesen
  • Meditation
  • Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Programm zur Stressbewältigung, auch MBSR genannt)

Was ist für mich hier interessant? Ok, Tanzen fällt schon mal durchs Raster, das klappt aufgrund der Führungsproblematik mit meiner Frau nicht ;-). Bücher lese ich schon, nicht regelmäßig, aber zumindest im Urlaub. Pflegen von Kontakten und Sport? Ich hab ´nen Sohn, also auch hier kann ein Häkchen dahinter. Mit der MBSR-Methode hatte ich noch keinen Kontakt, aber aufgrund der Elternzeit habe ich ein mehr oder weniger niedriges Stresslevel. Bleibt also noch das Sprachenlernen.

Fitness fürs Gehirn: Lerne eine Fremdsprache!

Zu diesem Tipp meinte dann auch der Neurologe, dass dies für das Gehirn ein wahres Fitnessprogramm sei. Also gut, da habe ich mir doch direkt eine App aufs Smartphone installiert, um Italienisch zu lernen, wir urlauben ja schließlich gerne am Gardasee. Doch wie so oft kommt dann auf einmal wieder dieser blöde innere Schweinehund dazwischen. Hier muss ich mir echt was überlegen, damit ich das wieder einigermaßen hinbekomme oder wie ein Kumpel immer sagt „auf die Kette kriege“.

Alphabet

Nach Ende des Vortrags sprach ich mit meiner MS-Schwester. Sie teilte mir mit, dass der Radiologe, bei dem ich derzeit sowieso meine MRT-Untersuchung durchführen lasse, auch diese Scans für die Hirnvolumenmessung durchführt. Also, war mein nächster Schritt, mir eine Überweisung zur Radiologie ausstellen zu lassen und einen Termin für das MRT zu vereinbaren. Der Kontrolltermin stand sowieso wieder an.

Die Aufnahme mit der Hirnvolumenmessung dauert circa fünf Minuten länger als beim herkömmlichen MRT, so teilte es mir die Schwester mit. Während des Vorgangs merkte ich ziemlich genau, zu welchem Zeitpunkt dieser Prozess stattfand. Woran ich es gemerkt habe? Ganz einfach, mir wurde auf einmal schwindelig. Ich hatte das Gefühl, alles drehte sich. So wie wenn man zu viel getrunken hat und ja, diesen Zustand kenne ich aus eigener Erfahrung ;-).

Das war für mich etwas unerwartet, da ich bei den üblichen MRT-Untersuchungen dieses Gefühl nicht hatte; aber ok, beim nächsten Mal bin ich dann entsprechend vorbereitet.

Nach der MRT-Untersuchung folgte noch ein Gespräch mit dem Radiologen. Er wertete die Bilder aus, zunächst einmal nur die reguläre MRT. Die Messung des Hirnvolumens übernimmt dann ein anderer Spezialist, was ungefähr zwei Wochen dauert. Das Ergebnis wird direkt an den Neurologen gesendet.

Auch ich habe die Auswertung davon erhalten. Ohne einen Vergleichswert war diese allerdings nicht sehr aussagekräftig. Hierfür musste ich mich dann also noch bis zum nächsten MRT-Termin gedulden.

Eines sollte einem allerdings auch nach einer schlechten Auswertung Hoffnung geben, nämlich eine kleine Story, die mein Neurologe während des Vortrags erzählte: Man hat vor einiger Zeit bei einer Autopsie des Gehirns einer 90 Jahre alten Nonne festgestellt, dass ein Großteil ihres Hirnvolumens abgestorben war. Erstaunlicherweise war sie allerdings bis ins hohe Alter geistig fit.

Wie kann das sein? Man nimmt an, dass die Aufgaben der abgestorbenen Hirnzellen von anderen Zellen übernommen wurden. Um dies einmal laienhaft zu beschreiben: Nichts ist ganz verloren, aber was einmal abgestorben ist, kommt halt auch nicht wieder. Das sollte jedem bewusst sein und hier sollte man dran arbeiten.

Somit bin ich jetzt auch schon wieder am Ende meines Beitrags und wünsche allen interessierten Lesern an dieser Stelle noch viel Freude an der trotz ms Webseite und vergesst nicht:

Don't give up – wer resigniert, verliert!

Euer Carsten

Quellen:

1. Esiri MM. Aeging of the brain. J Pathol 211, 2007

2. Fox NC et al. Progressive cerebral atrophy in MS: a serial study using registered, volumetric MRI. Neurology 54, 2000.

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