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Grundlagen

Was die neuen Leitlinien für MS-Patienten bedeuten

9 Minuten

Veröffentlicht am 06.12.2017  von  Onmeda

Für Patienten mit multipler Sklerose hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt, was zum Beispiel Diagnostik oder Therapien angeht. Den aktuellen Stand fassen nun neue europäische MS-Leitlinien zusammen. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick.

Glühlampe aus Papier

Um die individuell beste Therapie zu finden, gibt es medizinische Leitlinien.

Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten über die Vielfalt an Therapien, die heute zur Behandlung der multiplen Sklerose (MS) zur Verfügung stehen. Nicht für Patienten. Und auch nicht für Ärzte. Um den Überblick nicht zu verlieren und die individuell beste Therapie zu finden, gibt es medizinische Leitlinien. Sie greifen die aktuelle Studienlage auf und leiten daraus Therapieempfehlungen ab: eben den "State of the Art", den neuesten Entwicklungsstand.

Doch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), die für multiple Sklerose in Deutschland gelten, stammen aus dem Jahr 2014 und werden aktuell überarbeitet. Die letzten Neuerungen in Diagnostik und Therapie beinhalten sie also noch nicht. Erstmals arbeiten übrigens nicht nur Neurologen, sondern auch Patientenvertreter an der deutschen Leitlinie mit.

Auf dem europäischen MS-Kongress, der Ende Oktober 2017 in Paris stattgefunden hat, stellten die europäischen Fachgesellschaften, das European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) und die European Academy of Neurology (EAN), jetzt 20 Empfehlungen für die europäische Leitlinie vor, an der sich auch deutsche Neurologen orientieren. Sie werden derzeit nochmals überprüft, geben aber einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand.

Was ist neu in der europäischen MS-Leitlinie?

  • Krankheitsmodifizierende Medikamente sollten nur spezialisierte Zentren mit einer geeigneten Infrastruktur verabreichen. Diese müssen in der Lage sein, die Therapie der MS-Patienten gut zu kontrollieren sowie Nebenwirkungen schnell zu erkennen und zu behandeln. Ein Grund ist, dass einige neue Immuntherapeutika erhebliche Nebenwirkungen haben. „Krankheitsmodifizierend“ wird eine Therapie genannt, wenn sie den Verlauf einer Krankheit günstig beeinflussen kann.
  • Patienten mit „klinisch isoliertem Syndrom“ (KIS oder englisch CIS) – also einer Vorform der multiplen Sklerose – und auffälligen Befunden in der Magnetresonanztomografie (MRT) sollten frühzeitig eine passende Therapie erhalten.
  • Patienten mit aktiver MS, die neue Schübe erleiden oder Veränderungen im MRT zeigen, sollten möglichst frühzeitig von einem Neurologen mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten behandelt werden. Welches Medikament Ärzte aus der Vielzahl an Therapeutika auswählen, hängt von individuellen Merkmalen, der Schwere der MS, Begleiterkrankungen oder dem Nebenwirkungsprofil des Medikaments ab.
  • Um besser beurteilen zu können, wie die MS während einer Behandlung fortschreitet, sollen Neurologen klinische Befunde mit den Daten aus der Magnetresonanztomografie (MRT) kombinieren.
  • Wenn Patienten krankheitsmodifizierende MS-Medikamente erhalten, raten die Autoren der Leitlinie, in den ersten sechs Monaten nach Therapiebeginn mit Magnetresonanztomografie-Aufnahmen (MRT) zu überprüfen, wie der Patient auf die Medikamente anspricht. Diese Aufnahmen vergleichen sie mit einem MRT-Scan nach zwölf Monaten. Ärzte achten dabei besonders auf neue oder vergrößerte T2-Läsionen. Sie sind als helle Bereiche sichtbar und bedeuten Flüssigkeitsansammlungen, Entzündungen oder eine Gewebezerstörung. Nur hochqualifizierte Radiologen mit viel Erfahrung bei multipler Sklerose sollten die Bilder interpretieren.
  • Patienten, die krankheitsmodifizierende Medikamente erhalten und ein niedriges Risiko für die Entwicklung der sogenannten progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) haben, wird ein jährliches MRT empfohlen. Für Patienten mit hohem PML-Risiko ist alle drei bis sechs Monate ein MRT-Check ratsam. Der gleiche Zeitraum gilt für Hochrisikopatienten, die auf ein anderes Medikament umsteigen.
  • Zu einem wirksameren Medikament sollten Patienten wechseln, bei denen die multiple Sklerose trotz Behandlung mit Interferon oder Glatirameracetat verstärkt aktiv ist. Bei der Auswahl des richtigen Medikaments spielen wiederum die Krankheitsaktivität, die Schwere der MS, Begleiterkrankungen, Nebenwirkungen und persönliche Charakteristika eine Rolle.
  • Wenn Neurologen die MS-Therapie aufgrund verminderter Wirksamkeit oder aus Sicherheitsgründen abbrechen, sollten sie ein neues Medikament ausprobieren. Je aktiver die MS ist, desto schneller sollte die neue Therapie beginnen.

Schwangerschaft und MS

Weitere Empfehlungen der neuen europäischen Leitlinie beziehen sich auf Frauen mit MS im gebärfähigen Alter. Neurologen sollten sie darüber aufklären, dass sie – mit einer Ausnahme – keine krankheitsmodifizierenden Medikamente in der Schwangerschaft anwenden dürfen. Für Frauen mit multipler Sklerose, die eine Schwangerschaft planen und bei denen das Risiko groß ist, dass die Nervenerkrankung wieder aufflammt, gibt es meist nur zwei Präparate zur Auswahl.

Frauen mit einer dauerhaft sehr hochaktiven MS verschieben die Schwangerschaft besser auf einen späteren Zeitpunkt. Wenn sich eine Frau dennoch für eine Schwangerschaft entscheidet oder ungeplant schwanger wird, muss sie mit dem Arzt Nutzen und Risiken sowie die Wahl des Präparats gut abwägen.

Die endgültige Version der europäischen Leitlinien für multiple Sklerose wird in den Fachmagazinen Multiple Sclerosis Journal und European Journal of Neurology veröffentlicht.

Quellen:

Online-Information der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): www.dgn.org (Abrufdatum: 22.11.2017)

Medizin-Fachportal Springer Medizin: www.springermedizin.de (Abruf: 22.11.2017)

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Diagnose und Therapie der multiplen Sklerose. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 030/050 (Stand: August 2014)

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

*Quelle: www.onmeda.de

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