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medikamentöse Therapie

Nachgefragt: Therapiemanagement bei MS

8 Minuten

Veröffentlicht am 06.08.2021  von  trotz ms Redaktion

Als MS-Fachkraft ist Alexander Bayer Experte für die Belange von Menschen mit MS. Im Interview beantwortet er fünf Fragen rund um das Management der MS-Therapie.

Alexander Bayer ist MS-Fachkraft in der Neurologischen Klinik am Klinikum Stuttgart. Seit über einem Jahrzehnt steht er Patient:innen beim MS-Therapiemanagement zur Seite – in allen Fragen rund um Untersuchungsbefunde, die Therapieentscheidung und -anwendung, den Umgang mit der Krankheit sowie das Leben mit MS.

Was genau versteht man unter Therapiemanagement? Wobei unterstützen Sie Menschen mit MS?

Nachdem der behandelnde Arzt die Diagnose gestellt hat, setze ich mich mit den Patient:innen zusammen. Oft kommt es vor, dass jemand nicht unbedingt gleich alles versteht, was der oder die Neurolog:in erklärt. Dann versuche ich zu klären, was ganz praktisch auf die Betroffenen zukommt. Viele Fragen kommen erst auf, wenn man später Broschüren durchliest oder sobald man sich mit Angehörigen austauscht. Ich bespreche auch gemeinsam mit den Patient:innen, was sie bei der Suche nach Ärzt:innen oder Therapeut:innen berücksichtigen sollten und gebe ihnen somit eine Art Leitfaden an die Hand.

Hat das Therapiemanagement mit einer MS-Fachkraft auch Einfluss auf die Akzeptanz oder Adhärenz der Patient:innen?

Ja, ich finde, dass das einen großen Einfluss hat – deswegen mache ich das auch so gerne. Damals war es so: Es gab das Diagnosegespräch mit dem oder der Neurolog:in. Da wurde gesagt: „Das Medikament nehmen Sie jetzt.“ Danach kam die Pflegekraft, die gezeigt hat, wie das funktioniert. Das war meistens eher eine kurze Geschichte, da im normalen Alltag einfach nicht so die Zeit da ist. Als MS-Fachkraft für Therapiemanagement kann ich mir die Zeit nehmen. Ich kann mich mit meinen Patient:innen auch für eine Stunde oder sogar länger zusammensetzen und alles Wichtige besprechen. Ich glaube, das macht ganz viel aus.

Die MS-Therapie ist ja anders, als würde man einfach eine Kopfschmerztablette einnehmen, die direkt spürbar wirkt und mit der dann alles erledigt ist. Die MS-Therapie hat Auswirkungen auf den Alltag. Deswegen ist es wichtig für Betroffene zu wissen: Da ist jemand, den oder die ich ansprechen kann.

Warum sind Kontrolltermine im Therapiemanagement wichtig? Und welche Tests zur Messung der Krankheitsprogression werden bei Ihnen durchgeführt?

Ich empfehle allen Patient:innen immer, regelmäßig MRT-Untersuchungen machen zu lassen. So können Entzündungsherde sichtbar gemacht werden, die für die Betroffenen vielleicht gar nicht spürbar sind. Wir machen auch den Timed-25-Foot- Walk (T25FW), bei dem man eine gewisse Strecke geht und die Zeit misst. Wir führen den 9-Hole-Peg-Test (9HPT) durch, der die Fingerfertigkeit prüft, aber auch den Symbol-Digit-Modalities-Test (SDMT) als Kognitionstest, bei dem Symbole auf einem Bogen Zahlen zugeordnet werden. Patient:innen schätzen sich manchmal eher schlechter ein, obwohl die Werte gleichgeblieben sind. Kein Mensch kann im Alltag so richtig einordnen, wie gut etwa eine Gehstrecke bewältigt wird. Da haben wir den Vorteil, dass zum Beispiel ein oder eine Physiotherapeut:in den oder die Patient:in aufs Laufband stellen und genau messen kann. Das gibt gewisse Anhaltspunkte. So kann man ganz objektiv Entwicklungen vergleichen.

Wann denken Sie gemeinsam mit Patient:innen über einen Therapiewechsel nach?

Ganz klar: Wenn der oder die behandelnde Neurolog:in die Notwendigkeit sieht, weil es zum Beispiel zu Schüben kommt oder sich eine vermehrte Aktivität im MRT zeigt. Aber auch wenn man merkt, dass Betroffene nicht mit der Einnahme zurechtkommen oder das Medikament nicht vertragen, kommt ein Wechsel in Betracht. Wenn Patient:innen hingegen jedoch einfach verunsichert sind, weil sie im Internet etwas gelesen haben, dann würde man nicht über einen Wechsel sprechen, sondern versuchen, Fehlinformationen ein Stück weit zu relativieren und Bedenken auszuräumen.

Welche Tipps haben Sie, damit Patient:innen ihre MS und die Therapie gut managen können?

Mein wichtigster Tipp, den ich Patient:innen mitgebe, ist: sich nicht so „hoppla hopp“ für ein Medikament entscheiden, sondern wirklich gut überdenken, sich auch besprechen, gegebenenfalls nachfragen. Das empfinde ich als einen ganz, ganz wichtigen Schritt – dass der oder die Patient:in auch das Gefühl hat, wir haben zusammen mit dem oder der Neurolog:in überlegt, wie gut die Therapie in den Alltag passt und gemeinsam entschieden.

Du möchtest Dich über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten bei MS informieren und herausfinden, welche Option für Dich passend sein kann? Dann schau hier und hier vorbei.

Mehr über die verschiedenen Tests zur Messung der Krankheitsprogression erfährst Du in diesem Beitrag.

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