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Mobilität & Reisen

Weltreise mit MS: Sebastians Erfahrungen machen Mut

9 Minuten

Veröffentlicht am 08.10.2020  von  trotz ms Redaktion

Weltreise mit MS – ist das wirklich möglich? Sebastian hat es gewagt und seine Entdeckerpläner verwirklicht. Er nutzte seine Elternzeit, um mit seiner Partnerin und seinen drei kleinen Kindern knapp zehn Monate durch die Welt zu reisen. Das erforderte viel Organisation im Vorfeld, Durchhaltevermögen und manchmal Nerven aus Stahl. Doch Sebastian hat sich nicht entmutigen lassen. Im Interview teilt er seine Erfahrungen und möchte andere Menschen mit MS motivieren, ebenfalls auf große Reise zu gehen.

Über Sebastian
Sebastian lebt in Hamburg Duvenstedt und arbeitet im Personalwesen. Die Diagnose „Schubförmige MS“ hat er mit 30 Jahren im April 2010 erhalten. Sein Herz schlägt für Basketball und Reisen. Besonders fasziniert ihn daran, die Andersartigkeit fremder Kulturen zu erleben. Egal, ob in Europa oder in Südamerika – die Menschen betrachten alles aus einer anderen Perspektive und haben andere Lebensgewohnheiten wie beispielsweise andere Küchen. Das empfindet Sebastian als sehr bereichernd.

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Sebastian, wie war Deine Weltreise und was hat Dich dazu bewogen, mit Deiner Partnerin und drei kleinen Kindern diese lange Reise anzutreten?

Es war einfach großartig. Wir haben eine Fülle von Eindrücken und schönen Momenten erlebt, die sich schwer in wenigen Worten beschreiben lassen. Ich kann gar nicht sagen, was mir am besten gefallen hat. Vielmehr habe ich die Reise als ein einziges positives Erlebnis in Erinnerung.

Wir haben uns aus verschiedenen Gründen zur Reise entschlossen: Einmal, um ganz intensiv Zeit miteinander als Familie zu verbringen. Auf so einer Reise lernt man zwar hier und da Leute kennen, doch eigentlich ist man frei von allen Verpflichtungen und Beziehungen. So hatte ich Zeit, mich ganz auf meine Kinder und meine Frau zu konzentrieren. Der zweite Punkt ist das Reisen an sich, also die Möglichkeit, die Welt zu entdecken. In einem normalen Urlaub ist es einfach nicht möglich. Wir haben auf der Weltreise so viel erlebt, wofür andere sonst ein ganzes Leben brauchen. Und der dritte Punkt, der uns dazu bewogen hat, ist das Thema „Die Auswirkungen der Globalisierung“. Einfach mal rauszukommen aus Deutschland hat uns auch geholfen zu verstehen, was eine globale Welt in puncto Nachhaltigkeit bedeutet und wo die Probleme liegen – beispielsweise wie sich unser Müll auf Länder in Südamerika auswirkt. Vieles, was für uns hier in Deutschland selbstverständlich ist, ist es an anderen Orten auf der Welt ganz und gar nicht. Sauberes Wasser zum Beispiel – wir drehen einfach den Schlauch auf und es ist uns nicht bewusst, dass Wasser irgendwo anders sehr kostbar und nur begrenzt verfügbar ist.

Wie hast Du die Reise organisiert? Wer hat Dich bei der Reiseplanung unterstützt?

Meine MS-Nurse hat mich unterstützt, indem sie meinen Reiseplänen positiv gegenüberstand. Sie hat mich ermutigt, die Reise zu unternehmen und hat im Vorfeld eine Auswahl an Medikamenten zusammengestellt, falls ich unterwegs einen Schub bekommen sollte und kein Arzt in der Nähe wäre. Außerdem habe ich von ihr ein Rezept für eine größere Menge von Medikamenten zur symptomatischen Therapie erhalten. Darüber hinaus habe ich bereits eineinhalb Jahre vor der Reise zu einer Therapie gewechselt, die mir eine hohe Flexibilität und Zeit ohne Therapieanwendung ermöglicht. Trotzdem ist es wichtig, die Therapie regelmäßig anzuwenden – auch während der Reise. Deshalb musste ich herausfinden, in welcher Klinik und von welchem Arzt ich im Ausland mein Medikament verabreicht bekommen kann. Dabei hat mir der Hersteller meines Medikaments geholfen. Meine MS-Nurse gab mir den Tipp, mich an ihn zu wenden. Doch Kontakt zur Klinik in Santiago de Chile, der Hauptstadt von Chile, habe ich selbst aufgenommen – und das auf Spanisch. Wegen der Kostenerstattung habe ich mich an meine Krankenkasse gewandt.

Hat die Krankenkasse die Kosten übernommen?

Ja, hat sie. Doch ich glaube, es gibt kein Gesetz, worin das verankert ist. Je nach individuellem Fall ist wohl Kulanz gefragt oder gute Argumente: Ich habe einfach mit der Krankenkasse gesprochen und bestimmt erklärt, dass ich diese Reise auf jeden Fall mache und meine Therapie benötige. Und ich habe gefragt, ob die Möglichkeit besteht, dass sie die Kosten übernimmt. Ein bisschen nach dem Motto: „Ich mache diese Reise sowieso. Wenn ich die Therapie jedoch nicht fortführe, dann steigt die Chance, dass ich einen Schub bekomme und größere Einschränkungen davontrage. Für die Kosten müsse dann die Krankenkasse bis an mein Lebensende aufkommen. Was also spricht dagegen, wenn die Therapie auch in Deutschland bezahlt wird?“ Doch es war eine Menge Papierkram nötig – manchmal auch die Dienste eines Übersetzers – und natürlich eine Bestätigung vom Arzt im Ausland, dass ich die Therapie auch wirklich erhalten habe.

Wie hat sich die Reise auf Deine Gesundheit ausgewirkt? Hattest Du einen Schub?

Auf der Reise ging es mir definitiv besser als zu Hause, wo man alles unter einen Hut bringen muss: Beruf, Familienleben und die MS-Therapie. Ich hatte unterwegs keine Symptome, obwohl ich sonst relativ häufig unter neuropathischen Schmerzen, auch bekannt als Nervenschmerzen, leide. Gerade bei warmem Wetter treten sie auf – besonders an den Nervenenden. Das hatte ich beispielsweise während der gesamten Reise gar nicht. Ohne den Alltagsstress ging es mir sehr gut und ich hatte genug Zeit für meine Kinder. Meiner Meinung nach hatte das Rauskommen aus dem Alltag also sogar einen positiven Effekt auf mein Wohlbefinden.

Warum war es Dir wichtig, die Weltreise zu unternehmen?

Viele Menschen verschieben so eine große Reise auf später und sparen erst einmal. Auch meine Schwiegereltern rieten mir dazu. Wir wollten die Reise aber einfach jetzt machen: Mein Gesundheitszustand ist gut und wir konnten auf unserer Reise alles sehen, was wir uns schon immer gewünscht haben. Ich bin wirklich stolz, dass ich das gemacht habe. Das gebe ich auch gerne weiter als Motivation für andere Menschen mit MS: Das ganze Theater zur Fortsetzung der Therapie war es wert. Es braucht zwar einen starken Willen, doch es hat alles geklappt und mein Fazit lautet: „Du kannst es schaffen, wenn Du willst.“

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