Zurück

Mathilde, MS-Angehörige, 21 Jahre

Erfahrungsberichte

Wie die MS einen neuen Menschen aus meiner Mutter machte

10 Minuten

Veröffentlicht am 15.09.2017  von  Mathilde

Damals war die Familiensituation sehr angespannt. Auch der Stress auf der Arbeit machte meiner Mutter sehr zu schaffen. Sie baute nervlich sehr stark ab, war häufiger gestresst, andauernd müde und erschöpft. Ihr wuchs alles über den Kopf. Und dann kam die Diagnose: Sie war an MS erkrankt.

Die Krankheit verhalf ihr zu einer neuen Sichtweise

Seitdem meine Mutter sich mit der MS abgefunden hatte, war ihr eines klar geworden: Sie muss sich mehr um sich selbst kümmern. Es gibt viele Probleme anderer, die man zu seinen eigenen macht. Die Kunst ist zu lernen, sich nicht damit zu belasten. Meine Mutter entschied sich dafür Dinge zu tun, vor denen sie immer Angst hatte. Sie führt nun ein Leben, das sie vor der Diagnose in der Qualität nicht mehr hatte.

Ich freue mich so sehr, über unser Leben zu berichten, das sich nicht nur verschlechtert, sondern auch irgendwie verbessert hat.

Unser Leben mit der MS: Die Reise nach Barcelona

Zum Zeitpunkt der Diagnose erlitt meine Mutter zwei schlimme Brüche, da sie wegen ihrer MS deutlich schlechter laufen konnte und oft hinfiel. Sie musste das Laufen erst wieder erlernen. Es war tatsächlich unvorstellbar, wieder wie normale Menschen in einen Urlaub fahren zu können. Und doch haben wir es getan – nicht nur einmal. Ich möchte Euch gerne von unserem letzten Ausflug nach Barcelona berichten, einer sehr schönen Stadt, in der wir zwar eine sehr schöne, aber auch anstrengende Zeit verbracht haben.

Der Flug verlief reibungslos und wir hatten auch keine Probleme am Flughafen. Dazu muss gesagt sein, dass wir auch extra früh da waren. Nachdem wir im Hotel angekommen waren und uns eine Weile am Pool entspannt hatten, ging es am Abend los zu unserem ersten Abenteuer. Zur magischen Fontäne von Monjuic – ein Brunnenspektakel, das nicht weit von unserem Hotel entfernt war. Für unseren Bekannten und mich wäre es auch nur ein Weg von zehn Minuten gewesen. Mit meiner Mutter hingegen, dauerte es fast eine dreiviertel Stunde. Aber wir konnten den Weg ohne Unterbrechung laufen – und das bergauf. Wir setzten uns fernab von den Massen auf eine Treppenstufe und schauten uns von dort aus das Spektakel an. Das war eine sehr gute Entscheidung, denn so hatten wir ohnehin eine viel bessere Sicht.

Am zweiten Tag sollte es an den Strand gehen. Schnell wurde klar: Die Hitze machte meiner Mutter zu schaffen. Da die Metro nicht direkt zum Strand führt, muss man einen Fußweg zurücklegen, um zu diesem zu gelangen. Unser Schritttempo wurde zunehmend langsamer. Es erschien wie eine Ewigkeit, bis wir endlich am Wasser angelangt waren. Selbst mir kam der Weg extrem weit vor, obwohl ich keine Schwierigkeiten mit dem Laufen habe. Bevor wir abends noch eine Kleinigkeit essen gehen konnten, mussten wir nach dem Strandbesuch eine Pause im Hotel einlegen.

Mathilde mit ihrer Mutter

Monjuic – ein Brunnenspektakel in Barceona

Mathildes Mutter in Barcelona

Am dritten Tag fuhren wir dann mit der Seilbahn umher, um etwas von der Stadt zu sehen und Fußweg zu sparen. Was unser Bekannter in seinem letzten Barcelona Urlaub ablief, konnten wir gar nicht zu Fuß bewältigen. Meine Mutter brauchte Hilfe, die teilweise steilen Straßen hinauf- und herunterzulaufen. Mit jedem Tag konnte man zunehmend sehen, wie sie abbaute und immer holpriger lief. Unser Tempo wurde von Tag zu Tag langsamer. Ab Tag drei schmerzte mir jeden Abend der Rücken. Der langsame Schritt, das ständige Stehenbleiben, das Herumschleppen der Taschen für Zwei, all das setzte mir selbst zu. Obwohl ich gerne länger Urlaub gemacht hätte, war es gut, dass wir nur die eine Woche unterwegs waren.

Selbst Bahnfahren strengte meine Mutter an

Am letzten Tag ging der Flieger um 19.00 Uhr. Also noch Zeit genug, um etwas zu erleben. Es sollte nichts Anstrengendes sein. Deshalb entschieden wir uns, als Abschluss noch einmal an den Strand zu gehen. Um einen anderen Strandabschnitt sehen zu können, stiegen wir in eine uns bis dahin unbekannte Metrolinie. Obwohl wir die gesamte Woche über Metro gefahren waren, wirkte meine Mutter sehr orientierungslos. Es war deutlich zu merken, wie anstrengend allein das Bahnfahren für sie sein musste.

Der Weg zum Strand am letzten Tag war der wohl schwierigste von allen. Die Sonne bekam ihr nicht gut. Der einzige Schattenplatz am Strand war direkt unter dem Wachturm der Strandaufsicht. Sie erlaubte uns freundlicherweise, uns dorthin zu legen. Aber das war nicht die einzige Herausforderung. Was ich bis hierhin noch nicht erwähnt habe: Meine Mutter schaffte es nicht alleine aus dem Wasser. Die Wellen waren stärker als sie. Es musste ihr stets ein starker Mann aus dem Wasser helfen.

Ich bewundere meine Mutter dafür, dass sie für ihre Träume kämpft und nicht aufgibt.

So auch in unserem Urlaub: Sie ging schwimmen, obwohl sie nicht alleine aus dem Wasser kam. Sie läuft weite Strecken, wenn auch langsam. Und sie schaut sich alle Sehenswürdigkeiten an, die sie interessieren, auch wenn sie müde und erschöpft ist. Alles in allem haben wir im Urlaub das gemacht, was wir uns vorgenommen hatten. Es war eine sehr schöne, aber auch anstrengende Zeit, die ich nicht vermissen möchte.

Inhaltlich geprüft: M-DE-00003220

Deine Empfehlungen

Schriftvergrößerung Schalter Vorlesefunktion Schalter Kontrastmodus Schalter
Hast Du Fragen?
Unser Team von
trotz ms MEIN SERVICE
ist Mo-Fr von 8-20 Uhr
kostenlos für Dich da: