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Simone, PPMS-Betroffene, 50 Jahre

Erfahrungsberichte

Spielen als Therapie bei MS

7 Minuten

Veröffentlicht am 08.05.2018  von  Simone

Sicherlich käme ich ohne unseren Sohn mit Spielen nicht so in Kontakt wie mit ihm. Spielen würde sich für mich auf „Mensch-ärgere-dich-nicht“, das ich übrigens sehr mag, und diverse Kartenspiele beschränken. Das war zumindest das Angebot vor seiner Geburt.

Eigentlich lehne ich Spielkonsolen ab. Einige Zeit sah ich sie sogar als Zeitverschwendung an. Unser Sohn hat nun seit ein paar Jahren eine solche: Er bekam sie nicht, weil „alle“ eine haben, sondern weil er sich ernsthaft ein halbes Jahr mit den Spielen auseinandersetzte und immer wieder den Wunsch wiederholte, eine solche zu besitzen.

Nachdem ich akzeptiert hatte, dass meine Vorstellungen nicht seinen Wünschen entsprechen müssen – mein Mann sah das übrigens viel lockerer als ich –, bekam er die gewünschte Spielekonsole. Da unser Familienleben überwiegend in einem Wohnraum bestehend aus Küche, Esszimmer und Wohnzimmer stattfindet, bekomme ich immer aktiv mit, was gerade gespielt wird.

Manche Spiele sind meiner Ansicht nach ganz nett, weil man eine „Story“ durchspielen muss, andere werden mich niemals ansprechen. Aus Ermangelung an Spielpartnern wurde auch ich manchmal zum Spielen „gebeten“.

Beim Bowling oder Minigolf das Gleichgewicht trainieren

Und ich musste feststellen: Es gibt nicht nur Spiele, die mir Spaß machen, sondern auch einige, bei denen ich etwas, was ich nicht mehr gut kann, trainiere. So habe ich zum Beispiel Bowling oder Minigolf für mich entdeckt. Während ich im realen Leben keine Kugel wegen ihres Gewichts und mit Anlauf werfen kann, fällt bei der Spielekonsole das Gewicht weg. Ich kann trotzdem eine Bewegung ausführen, bei der mein Gleichgewichtssinn gefordert wird, indem ich mit dem leichten Steuerungselement eine imaginäre Kugel werfe. Bei Minigolf fällt das weite Ausholen mit dem Schläger weg, aber ich muss dennoch versuchen, präzise zu treffen.

Außerdem habe ich ein Tanzspiel für mich entdeckt. Auch da kann ich mit Hilfe der Steuerung das Spiel meinen Fähigkeiten anpassen. An guten Tagen lehne ich mich aufgrund meiner Gehbehinderung an die Wand und an schlechteren sitze ich im Sessel und folge den geforderten Bewegungen mit dem Oberkörper so gut, wie ich kann. Bei Drehungen erziele ich zwar keine Punkte, aber es geht mir ja nicht ums Gewinnen.

Spielen übt Feinmotorik und Reaktionsfähigkeit

Es gibt auch Spiele, bei denen an der Steuerung schnelles Reagieren mit den Fingern und somit feinmotorische Bewegungen wichtig sind. Im Alltag gelingt es mir, meine rechte Hand stärker einzusetzen, obwohl ich Linkshänder bin. An der Spielsteuerung muss ich aber beide Hände gleich einsetzen. Dadurch beobachte ich meine feinmotorischen Fähigkeiten bewusster. An manchen Tagen merke ich, dass sich meine linke Hand beim Spielen verbessert, an manchen, dass sie schneller erschöpft ist.

Das Spiel mit der Konsole ermöglicht ein Spiel ohne viel Aufwand vor Ort und zwischendurch. Für mich ist es auch eine Möglichkeit, einzelne Fähigkeiten gezielt zu trainieren, aber natürlich nicht die einzige Möglichkeit.

Simone und ihr Sohn beim Spielen

Spielen kann man nicht nur vor der Konsole: Ich baue auch gerne mit Lego. Hierbei kann ich gut meine Feinmotorik schulen, besonders bei sehr kleinen Elementen. Außerdem wird auch das räumliche Sehen geschult, weil ich ja versuche, meine Vorstellungen umzusetzen.

Reaktionsvermögen bei Ballspielen verbessern

Die Möglichkeiten des Spielens sind unendlich. Ich möchte sie auch nicht nur an kommerziellen Spielen festmachen. Wir spielen auch Ballspiele auf dem Trampolin, ich übrigens im Sitzen. Durch die Begrenzung kann der Ball nicht zu weit wegfliegen, falls ich ihn nicht fange. Ballspiele finde ich auch sehr schön, um das Reaktionsvermögen zu schulen.

Was mir sehr gut gefällt, ist, dass ich beim Spielen Raum und Zeit ausblenden kann und damit auch meine Erkrankung. Dass ich das Spielen meinen Fähigkeiten anpassen oder Verschlechterungen meiner Fähigkeiten zu verbessern suchen kann. Und – last but not least: Es ist eine tolle Gelegenheit, um mit unserem Sohn gemeinsam Zeit zu verbringen.

Ein Zitat von Friedrich Schiller gefällt mir in diesem Zusammenhang sehr gut: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Und ich möchte hinzufügen: egal, ob er erkrankt oder gesund ist.

Simone

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