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Manuela B., MS-Schwester, 40 Jahre

Erfahrungsberichte

Nocebo- versus Placebo-Effekt: Die Kraft der Erwartungshaltung

7 Minuten

Veröffentlicht am 17.04.2018  von  Manuela B.

Es ist unglaublich, wie sehr das Unterbewusstsein jedes Einzelnen von der Kraft der Suggestion verändert werden kann. Unter Suggestion versteht man, das Manipulieren oder Beeinflussen des Denkens und Handelns einer Person. Da das Unterbewusstsein unseren Körper und auch unser gesamtes Leben steuert, können durch Suggestion viele Ereignisse in Gang gesetzt werden. Dies beobachte ich auch in meiner täglichen Arbeit mit MS-Patienten. Daher möchte ich Euch einen kurzen Einblick darüber geben, wie unsere Vorstellungskraft unseren Körper beeinflussen kann.

Was bedeuten eigentlich Nocebo und Placebo?

Der Placebo-Effekt ist die positive Wirkung eines Scheinmedikaments auf das Wohlbefinden: Der Patient wird gesund bzw. sein Gesundheitszustand verbessert sich, obwohl das eingenommene Präparat, das Placebo, keinen Wirkstoff enthält. Der Nocebo-Effekt ist der negative Gegenspieler: Das Scheinmedikament löst beim Patienten unerwünschte Nebenwirkungen aus.

Die thailändische Redensart „Same same – but different” passt genau auf diese Effekte: Das Gleiche, aber trotzdem anders.

Nocebo- und Placebo-Effekte in doppelblinden klinischen Studien

Beide Effekte zeigen sich oft bei klinischen Studien. Hier werden die richtigen Medikamente oft gegen Scheinmedikamente getestet, um ihre Wirkung und Sicherheit zu überprüfen. Alle Teilnehmer einer Studie werden gleich über die Wirkung und auch über eventuelle Nebenwirkungen des zu testenden Präparats aufgeklärt. Dabei ist es egal, ob der Patient das Medikament oder das Placebo erhält.

Dabei lässt sich beobachten, dass Patienten aus der Placebo-Gruppe einen Nocebo-Effekt zeigen. Das heißt: Sie leiden unter den Nebenwirkungen, die eigentlich nur das „richtige“ Medikament verursachen kann. Ein sehr interessantes Phänomen, da die Patienten ja nur eine „Zuckerpille” ohne Wirkstoff erhalten haben. Andersherum lässt sich beobachten, dass ein Placebo sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann.

Fragezeichen durch Tabletten symbolisiert

Können wir dieses Wissen für den Behandlungsalltag nutzen?

Patienten sollten bei einer Therapieumstellung ein gutes Gefühl haben. Die Entscheidung für eine andere Therapie ist ein ganz eigener Prozess und es bringt nichts, dem Patienten ein neues Medikament aufzudrängen. Nur eine Überzeugung mit schlüssigen Argumenten lässt eine Umstellung gut verlaufen.

Die eigene Erwartungshaltung des Patienten spielt beim Therapiewechsel oft eine große Rolle und somit auch die beschriebenen Effekte. Wenn Patienten sich zum Beispiel in Foren über ihre Therapie informiert haben, zeigen sich bei ihnen häufig genau die dort genannten Wirkungen oder Nebenwirkungen. Das bedeutet, dass die Patienten in ihrer Wahrnehmung und ihrer Erwartungshaltung von außen suggestiv beeinflusst wurden.

Ist dieser Prozess der „negativ manipulierten Erwartungshaltung“ einmal in Gang gesetzt, ist es schwer die jeweilige Person wieder aus dieser Haltung herauszubekommen. Keiner kann sagen, wie lange dies dauert oder ob man Chancen hat, die Effekte wieder rückgängig zu machen.

Aber eines steht fest: Die Angst vor Nebenwirkungen kann uns daran hindern, an einen Erfolg der jeweiligen Therapie zu glauben. Hier ist eine gute und vor allem positive Aufklärung jedes einzelnen Patienten sehr wichtig. Dass das Behandlungsteam viel Wert auf das Wohlbefinden und die Sicherheit des Patienten legt, sollte diesem auch vermittelt werden, um einen optimalen Therapieverlauf zu erzielen. Die Medizin hat sich in den Bereichen der Diagnostik und der Therapieoptionen sehr stark weiterentwickelt. Die Kommunikation mit dem Patienten ist also umso wichtiger. Natürlich müssen zu jeder Therapie die jeweiligen Nebenwirkungen besprochen werden, aber die Art und Weise ist entscheidend.

Mit speziell ausgebildetem Personal dem Phänomen entgegenwirken

In vielen MS-Schwerpunktpraxen gibt es weitergebildete MS-Schwestern – so wie mich. Sie kennen sich bestens mit der Patientenkommunikation aus und sind das Bindeglied zwischen Patient und Arzt.

In persönlichen Gesprächen mit unseren Patienten spreche ich auch das Thema Internetrecherchen und deren Auswirkung – Stichwort Suggestion – offen an. Denn: Fast in allen Lebensbereichen finden sich Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben – nicht nur in Sachen Therapie, auch bei der Buchung eines Hotels oder bei einem Autokauf. Wenn ich mir ein bestimmtes Automodell aussuche und im Internet Erfahrungsberichte zu Modell XY eingebe, werden die meisten Kommentare negativ sein. Positive Erfahrungsberichte finden wir nur wenige. So verhält es sich auch bei der Suche nach einem bestimmten Medikament: Es wird eher über die negativen Seiten berichtet. Dafür möchte ich die Patienten dann sensibilisieren.

Mein Rat wäre daher, dass man als Betroffener Fragen zur Therapie sammelt und diese in Ruhe mit seinem Behandlungsteam bespricht. Nur so können wir gemeinsam an einem Strang ziehen und dafür sorgen, dass die Therapie genau die Wirkung erzielt, die wir uns alle wünschen.

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